Zukunft der Luftfahrt: 4 Szenarien, wie wir 2040 fliegen werden
Wie sieht die Zukunft des Fliegens aus? Wie werden sich Nachhaltigkeit, Zielgruppen und Nutzung entwickeln? Welche Rolle nimmt der Flughafen in Zukunft ein?
Die Luftfahrtbranche erlebt einen Sky Blues: Auf der Kurzstrecke werden durch Klimawandel und Flugscham immer häufiger Bahn oder Reisebus genutzt. Und wer nicht umsteigen will, trifft auf eine Branche, die Flugausfälle und mangelnden Service kennzeichnen. Um den zunehmend nachhaltigeren Konsum- und Mobilitätsentscheidungen der Kunden und Kundinnen zu entsprechen, müssen Akteure Emissionen reduzieren.
Investitionen in Nachhaltigkeit werden zum Wettbewerbsvorteil. Die Luftfahrtbranche setzt sich mit neuen, alternativen Antriebs- und Flugzeugkonzepten auseinander. Vieles, was im Zusammenhang mit Energie, Lebensqualität und Sicherheit diskutiert wird, steht auf dem Prüfstand. Wie sieht also die Zukunft der Luftfahrtindustrie aus? Wie kann die Branche Klimaneutralität erreichen? Und wie kann der Sky Blues überwunden werden?
4 Szenarien für das Jahr 2040 verdeutlichen die vielfältigen Transformationspfade, denen die Akteure in der Luftfahrtbranche gegenüberstehen. Sie zeigen aber auch, dass Veränderungen Zeit benötigen. Zeit, die immer weniger Akteuren tatsächlich zur Verfügung steht, da sie den globalen Entwicklungen zu lange getrotzt haben. Ein Umstand, den sie mit vielen etablierten Akteuren der Mobilitätsbranche teilen. Denn eines ist klar: Die Achse Energiebasis wird für strukturelle Anpassungen in der Luftfahrtbranche sorgen. Viele (etablierte) Akteure werden diesen Transformationsprozess nicht bis zum Ende begleiten können.
Denken wir die Gegenwart linear in Richtung Zukunft, so bleiben wir im Permanent Sky Blues: Fossile Antriebe bestimmen die Vergangenheit und Gegenwart und mindestens die mittelfristige Zukunft. Akteure operieren vornehmlich isoliert, vor allem die Flughäfen, die kaum in das lokale Mobilitätsökosystem eingebunden sind und die Passagiere lieber 3 Stunden früher zum Terminal zitieren als auf Systemeffizienz zu pochen. Kehren wir in diese Welt zurück – oder eröffnen sich in Zukunft neue Wege?
Szenario I – Sustainable Aviation
Luftfahrt mit Fokus auf exklusive Nachhaltigkeit
Das gesamte System Luftfahrt hat die Herausforderung angenommen und zumindest einen Teilerfolg erkämpft. Massive Investitionen in neue Flug- und Antriebskonzepte haben jedes Reisesegment erfasst: Kurz-, Mittel- und Langstrecke. Doch das demokratische Prinzip vom Fliegen ist ausgeträumt. Exklusive Privatkunden und Geschäftsreisende sind jetzt die bestimmenden Zielgruppen, weil nur sie noch über das Geld verfügen, um die stark gestiegenen Preise zu zahlen. Davon profitieren neue Akteure, die sich frühzeitig auf das Premium-Nachhaltigkeitssegment fokussiert haben, sei es durch Retrofitting oder neue Flugkonzepte.
Neben dem amerikanischen Unternehmen Boeing und dem europäischen Pendant Airbus hat auch China sein Luftfahrtportfolio angepasst und einen eigenen Hersteller auf den Markt gebracht. Durch Chinas Wirtschaftsmacht ist dieser international erfolgreicher als zunächst angenommen und setzt konsequent auf einen elektrischen Antriebsstrang. Schon in der Automobilbranche zeigte man sich in den 2020er Jahren sehr überrascht über Chinas Entwicklungs- und Designkompetenz.
Die Wahl des Flughafens ist nicht mehr ausschlaggebend. Das Angebot an verfügbaren Maschinen bestimmt die Nachfrage, nicht umgekehrt. Davon profitieren auch Regionalflughäfen, die einen privaten, aber abgesicherten Zugang ermöglichen. Direktverbindungen sind das A und O in der Branche, egal wohin – und Hauptsache, die Maschinen sind ausgelastet. Das Tourismussegment ist dagegen weggebrochen, was neben den gestiegenen Preisen auch an mehr Achtsamkeit in Bezug auf die Wahl der Destination und der Verkehrsmittel liegt: Flugscham und massive Proteste der Letzten Generation haben zu einem radikalen Umdenken geführt.
Szenario II – Permanent Sky Blues
Fliegen im Krisenmodus: Alles bleibt, wie es ist
Hier sind wir gestartet und hierhin kehren wir wieder zurück. Vieles wurde ausprobiert, vieles wieder fallengelassen, Start-ups kamen und gingen. Stattdessen wurde wieder vermehrt auf Zeppeline gesetzt, ein vergleichbar einfaches Mittel, um große Menschenmassen und Güter zu transportieren, nur eben langsam. So liegt die Luftfahrtbranche mittlerweile in puncto Nachhaltigkeit weit zurück. Sicher, die Effizienzgewinne sind immens, aber mehr scheint nicht zu gehen.
Manche Menschen tolerieren es, andere bekämpfen das System seit Jahrzehnten. Fliegen muss man eben ab und zu, auch wenn es nicht mehr so angesehen ist wie früher – ein Großteil der Gesellschaft akzeptiert das. Dafür zahlt die Branche ihre Strafen und erhält im Umkehrschluss Subventionen, damit die nationale Airline nicht doch noch untergeht. Es ist ein Krisenmodus, der an den Flughäfen nicht spurlos vorüberzieht. Regionalflughäfen gehören der Vergangenheit an: Das Geschäft ist nicht lukrativ und auch politisch nicht gewollt. Längst bestimmen andere Bereiche das wirtschaftliche Wohl in unseren Breiten: Gesundheit, Neo-Ökologie, Konnektivität und Mobilität – aber eben nicht die Luftfahrt.
Szenario III – Green-Painted Industry
Schein-Nachhaltigkeit: Innovation findet anderswo statt
Überall fliegen grüne Flugzeuge. Leider sind sie nur grün angemalt. Muddling-through hat zum Adhocismus geführt. Es findet sich immer ein Kompensationsmodell, das gerade noch aktiviert werden kann. Denn vieles bleibt so, wie es immer war. Und fast alle sind zufrieden. Den Touristen und Touristinnen ist es egal, ob sie stehend oder sitzend nach Mallorca gelangen, solange sie an den Strand kommen. Die Geschäftsreisenden sind in multimodale Mobilitätskonzepte aufgenommen worden. Und wenn am Ende des Monats noch ein Mobilitätsbudget übrig ist, darf es gerne auch der Flieger sein.
Innovationen gibt es zwar in Bezug auf Mobilitäts-Apps und kundenzentrierte Buchungssysteme, doch die Luftfahrtbranche hat sich nicht weiterentwickelt – schon gar nicht, wenn es um nachhaltige Antriebstechnologien geht. Die Passagierzahlen steigen, wenn auch in geringerem Maße. Die Idee von integrierten Konzepten hat sich erfüllt, Symbol der Entwicklungen ist die Urban Air Mobility (UAM) geworden. Auch wenn die Kosten- und Preiserwartungen lange nicht wahr wurden, gibt es genügend Menschen, die sich ab und zu ein autonomes Lufttaxi in die Alpen oder in ein Luxusressort gönnen. Mit Nachhaltigkeit und Energieeffizienz hat das freilich nicht sehr viel zu tun.
Szenario IV – Seamless Experience
Die Luftfahrt wird menschlicher – durch Konnektivität
Die Transformation ist geschafft. Airlines, Flughäfen und Mobility Service Provider haben ihre Hausaufgaben gemacht und werden von den Passagieren honoriert. Getrieben durch branchenfremde Akteure der Mobilitätsindustrie ist der Flughafen zu einem Urbanoton geworden: Ein innovativ und holistisch gestaltetes Konglomerat für urbane Funktionen wie Einkauf, Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Mobilität. Dieses multifunktionale Zentrum lädt auch zum Fliegen ein, aber nur, wenn andere Verkehrsmittel dafür nicht in Frage kommen.
Die Kundinnen und Kunden wollen nicht mehr nur ein Flugticket kaufen, um von A nach B zu kommen, sondern erwarten ein integriertes, nahtloses und personalisiertes Reiseerlebnis. Dies gilt für Privatkunden, aber noch viel stärker für Geschäftsreisende, weil ihre Reisekette mittlerweile grün-transparent für jeden ersichtlich ist. Der Flughafen ist kein isoliertes Gewerbegebiet auf der grünen Wiese, sondern wird durch neue Flugkonzepte der UAM und autonome Sharing- und Pooling-Konzepte von ÖPNV und privaten Akteuren unterstützt. Lange Wartezeiten wurden durch diese mobilen Technologien überkompensiert: Der Security-Check findet im autonomen Airport-Shuttle statt und das Gepäck wird vom Shuttle direkt zum Flugzeug transportiert. Shopping, aber auch Entertainment- oder Lernangebote rund um Reisedestinationen finden online während des Transfers statt.
Um relevant zu bleiben und im harten Wettbewerb um Marktanteile im Mobilitätssegment zu bestehen, haben Fluggesellschaften ihre Strategien überdacht: weg von einer produktzentrierten, hin zu einer menschenzentrierten Position. Wasserstoff steht dank weltweiter Anstrengungen der Renewable Energy Front nahezu flächendeckend zur Verfügung, weil hier Arbeitskräfte, Wirtschafts- und Investitionsmacht gebunden sind.
Verstehen und gestalten Sie die Zukunft der Luftfahrt!
Die Luftfahrtbranche muss sich auf veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse und Wertesets einstellen. Sie muss auch abseits von Nachhaltigkeitsaspekten mehr leisten, um mit anderen Akteuren entlang der Reise- und Transportkette mitzuhalten.