Das Megatrend-System bietet einen umfassenden und vielfältigen Überblick über die Veränderungen, die unsere Welt heute und künftig beeinflussen. Unternehmen können dieses Trendwissen nutzen, um konkrete Fragestellungen in Zukunftsstrategien zu übersetzen. Trends und Megatrends dienen dabei als Mittel zum Zweck – als Leuchtspuren im Dunkeln: Ihre Beschreibung und Analyse verleiht Orientierung und Sicherheit in einer Welt, die immer mehr Anknüpfungspunkte und Potenziale für Wandel bietet. Hochdynamische Umfeldveränderungen zwingen immer mehr Unternehmen, ihre Strategien und Geschäftsmodelle, Prozesse und Angebote, Organisationsformen, Kommunikationsstrukturen und vieles andere laufend zu hinterfragen und neu auszurichten.
Trends geben dabei den Rahmen vor, in dem Zukunftsräume eröffnet und gestaltet werden können, denn die Zukunft ist ein offener Prozess. Megatrends fungieren dabei als „Drifts“ in komplexen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen Systemen. Sie geben eine Richtung vor. Megatrends transformieren gesellschaftliche Zustände auf eine neue Ebene. Wie jedoch diese neuen Zustände genau aussehen werden, ist Ergebnis gesellschaftlicher Verhandlungs- und Verständigungsprozesse – zu denen auch unternehmerische Entscheidungen und Managementstrategien zählen.
Das Arbeiten an der Zukunft erfordert deshalb auch eine Haltung der Offenheit. Weil Trends keine Zwangsläufigkeit im Sinne einer deterministischen, quasi schicksalhaften Zukunft darstellen, lässt sich ihre Wirkung immer nur auf bestimmte Fragestellungen hin bewerten: Was bedeutet beispielsweise die zunehmende digitale Vernetzung für die Mobilität in Städten oder für den Umgang mit Bargeld? Welche Konsequenzen haben das steigende Gesundheitsbewusstsein oder der Wandel der Genusskultur für die Lebensmittelindustrie? Wie müssen Arbeitsumfelder, Aufgabenprofile und Unternehmenskulturen aussehen, damit sie attraktiv sind für die nächste Generation von Young Professionals, die sich ihren Arbeitgeber immer öfter aussuchen können und schneller wechseln, wenn er nicht mehr zu ihnen passt?
Nur durch ganzheitliches und systemisches Denken werden Management, Unternehmen und Organisationen in die Lage versetzt, ihre Rolle im Prozess der gesellschaftlichen Evolution besser zu verstehen – und damit ihre Vitalität und Wandlungsfähigkeit zu erhöhen. Das Verständnis der Megatrends mit ihren vielfältigen Einflussfaktoren, Vernetzungen und Interdependenzen, ihren Abhängigkeiten, Bedingtheiten und Wechselwirkungen, ermöglicht die Öffnung neuer Räume im Denken. Das hilft Unternehmen dabei, innovativer und kreativer zu werden, indem es den Wechsel von Perspektiven durch überraschende Sichtweisen initiiert.
Damit das gelingt, muss ein Unternehmen oder das Management sich seine jeweils ganz eigene Zukunftsfrage stellen. Erst so können aus Trendwissen auch Handlungsoptionen im Hinblick auf die eigene Zukunft entstehen. Nur dann können neue Perspektiven und Lösungswege gefunden werden, die auch tatsächlich zur individuellen Situation einer Organisation passen.
Andernfalls läuft man Gefahr, in die Falle eines Trendopportunismus zu tappen. Auf diese Weise ist etwa die viel beschworene „digitale Transformation“ in der Geschäftswelt zum Buzzword avanciert, ohne dass dadurch wirklich mehr Orientierung entstanden wäre, was diesen Prozess ausmacht und wohin sich die Wirtschaft in einer vernetzten Welt entwickelt: Den meisten Unternehmen fehlen bislang eine klare Vision und eine umfassende, ganzheitliche Digitalisierungsstrategie, stattdessen wird das Thema unter hohem Innovationsdruck an isolierte Abteilungen oder Personen delegiert. Das Resultat sind häufig aktionistische Digitalisierungspläne – aber keine echte Innovation.
Wirklich konsequent umgesetzt, müssen sich Unternehmen im Zuge der Digitalisierung künftig vielfach völlig anders aufstellen – nicht nur hinsichtlich ihrer Produkte und Prozesse, sondern auch in ihren Organisationsformen. Das erfordert nicht nur digitale Technologien und eine Allianz von Mensch und Maschine, sondern vor allem auch neue Führungs- und Unternehmenskulturen. Egal ob Großkonzerne, Mittelständler oder kleinere Familienbetriebe: In der Netzwerkökonomie dürfen Unternehmen sich nicht länger als geschlossene Einheiten verstehen, sondern müssen als Plattformen und agile Teile offener Netzwerke und branchenübergreifender Business-Ökosysteme operieren.
Der entscheidende Schritt in der Anwendung des Megatrend-Systems ist es also, einen Bezug zum eigenen Unternehmen zu schaffen. Die Grundfrage lautet: Welche Auswirkungen haben bestimmte Megatrends auf die eigene Organisation? Das ist keine triviale Fragestellung, sondern oft ein komplexes Unterfangen, da Megatrends Unternehmen meist auf sehr vielen Ebenen betreffen. Es erfordert zudem einen hohen Abstraktionsgrad, die „individuelle Perspektive“ des Unternehmens einzunehmen.
Spezifischer gestellt, lautet die Frage daher: Welche systemischen Wirkungen haben Megatrends auf ein definiertes Betrachtungsfeld eines Unternehmens? Nur mit einem solchen „Framing“ lassen sich aus generellen Trendentwicklungen konkrete Konsequenzen für ein Unternehmen ableiten, das seine jeweils eigene Zukunft gestalten will. Das Neuerfinden beginnt beim Mindset des Managements, dem Hinterfragen der eigenen Sichtweisen und Glaubenssätze, auch von klassischen Wachstumsstrategien. Neues Denken ist die Voraussetzung für neue Perspektiven und Lösungswege.
Die Megatrends dienen dabei nicht nur als erhellende Lektüre, sondern können Unternehmen und Institutionen als Future Tool bei der täglichen Arbeit an der Zukunft unterstüzen. Denn Zukunft entsteht in der Gestaltung durch Menschen, Gruppen und Organisationen. Die Megatrends bieten dabei eine verdichtete Informationsgrundlage, aus der sich wichtige Handlungsempfehlungen und Konsequenzen für kluge Entscheidungen ableiten lassen.
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