Das traditionelle Geschlechtermodell, das Lebensstile, Spielzeug, Kleidung, Berufe, Bücher und vieles mehr nach Geschlecht trennt, verliert zunehmend an Bindungskraft. In Zukunft werden mehr Produkte gefragt sein, die sich jenseits der klassischen Binarität bewegen: von unisex über crossgender bis hin zur Genderneutralität. Viele Hersteller und Vertriebler setzen jetzt schon vermehrt auf unisex oder nosex und kommen dadurch gerade bei den Jüngeren gut an.
So präsentierte die britische Selfridge-Kette eine Kampagne namens Agender, die online wie auch in den Geschäften die Grenzen der klassischen Damen- und Herrenbekleidung sprengte. Drei komplette Etagen einer Londoner Filiale wurden genderneutral umgestaltet. Kunden sollen die Möglichkeit erhalten, jenseits von Geschlechter-Grenzen und -Stereotypen einzukaufen. Für die Kampagne wurden viele Kollektionen exklusiv angefertigt: Zum Angebot zählen Unisex-Fashion-Größen wie Rad Hourani, aber auch Labels wie Ann Demeulemeester oder Gareth Pugh. Zusätzlich zum Angebot an Kleidung und Accessoires laufen Filme und Musik, und es werden Designideen und Fotografien gezeigt, die Geschlechterkonzeptionen hinterfragen.
Auf eine andere Art und Weise hat sich die Firma Bosch der Idee von genderneutralen Produkten genähert: Vielen Frauen (und auch einigen Männern) sind herkömmliche Bohrer zu schwer und zu unhandlich, und auch die übliche Werkzeug-Ästhetik schreckt Kundinnen oft ab. Mit dem IXO Akkuschrauber hat Bosch ein Modell entworfen, das kleiner, leichter und sowohl im Design als auch in der Verpackungsart weniger sachlich-funktional gestaltet ist. So ist das Werkzeug zu einem Produkt geworden, das Männer und Frauen gleichermaßen anspricht und nicht versucht, Frauen mit Pink, Glitzer und einem genderfixierten „Achtung, nur für Frauen“-Look zu erreichen. Die rekordträchtigen Verkaufszahlen und enthusiastischen Bewertungen geben der Strategie recht.
Ein weiteres Konzept, das in der Designplanung von Vorneherein auf gender-konnotierte Attribute verzichtet, stammt Saana Hellsten, die ungegenderte Verpackungen für Kosmetikartikel entwarf. Dabei entstand auch eine neue Art, Rasierer anzubieten. Das Prinzip dahinter: eine hohe Modifizierbarkeit und Individualisierbarkeit statt gegendertem Design für Männer- und Frauenrasierer. Zunächst kann man aus zwei verschiedenen Klingenarten wählen (weicher oder härter), je nach dem Zweck der Rasur (Gesicht, Beine, Arme usw.), und auch die Form des Griffs wählbar: rund oder dünn. Schließlich lassen sich aus jeweils fünf verschiedenen Farben Vorderteil und Griff unabhängig voneinander zusammensetzen. Jenseits von Gender-Design spricht dieses Konzept den Kunden als Individuum an - und nicht als Frau oder Mann.
“Love.Inc” ist wohl das erste Hochzeitsmagazin, das weder hetero- noch homosexuelle Hochzeiten fokussiert, sondern jenseits der Geschlechter denkt. Porträtiert werden alle Formen der Eheschließungen, im Vordergrund stehen klassische Hochzeitsthemen: Kleidung, Schmuck, Accessoires und Planung. Das Magazin ist weder „nur“ homofreundlich noch „nur“ heterofreundlich - und damit attraktiv für eine größere Gruppe potenzieller Kunden.
Das Angebot an Produkten und Dienstleistungen, die frei von althergebrachten Geschlechterkonnotationen sind, erfreut sich wachsender Popularität. Weitsichtige Unternehmen reagieren darauf mit Design von Unisex-Produkten, genderneutralem Marketing und Dienstleistungen, die stärker auf individuelle Einzelbedürfnisse fokussieren als auf verallgemeinernde Kategorien.
Foto Credit: Flickr / Madfashionart / UNISEX Collection 2015 71I / CC-BY-ND 2.0