Eine Übung, die sich als praktisch und leicht zu merken etabliert hat, ist die Kombination aus: → Atmen → Lächeln → Innerlichkeit, Abgekürzt ALI. Dabei handelt es sich um ein jahrelang erprobtes Konzept, um in alltäglichen Stresssituationen schnell, einfach und effizient die Lage unter Kontrolle zu bringen. Wenn man diese Übung regelmäßig praktiziert hat, dauert es zumeist keine halbe Minute, bis sich das Erfolgserlebnis des „Nicht-sofort-Reagierens“ einstellt. Diese Übung eignet sich für die alltäglichen Situationen, in denen wir unseren Gemütszustand nur zu leicht von kleinen Anlässen aus der Ruhe bringen lassen:
In den meisten dieser Fälle ist die Situation und die kommenden Minuten, wenn nicht sogar Stunden, mit negativen Gedanken behaftet und wir ärgern uns, weil wir vielleicht überhastet gehandelt oder geflucht haben. Im Endeffekt haben wir aus dem ersten Impuls heraus Stress gespürt und sind sofort in den Reaktionsmodus gewechselt, in dem klares Handeln nicht möglich ist, weil wir in einer Art Abwehrmodus verharren. Die ALI-Übung geht den Weg, genau in diesen Situationen einen Puffer zwischen Aktion und Reaktion einzubauen, der es uns erlaubt, die Situation – egal, wie stressig sie sein mag – zu beobachten und dadurch eine gelassene Entscheidung zu treffen.
Wann immer eine stressige Situation eintritt (z.B. wir schreiben eine E-Mail, wollen sie verschicken und genau dann stürzt der PC ab), halten wir inne und atmen tief ein. Nicht in die Brust, sondern in den Bauch. Die Bauchatmung ist es, die uns Menschen bereits bei der stressigsten Situation unseres Lebens – unserer Geburt – dahin begleitet hat, den Stress zu beherrschen. Beobachten wir Babys nach der Geburt, dann sehen wir, dass diese nach dem ersten Schrei sofort in den Bauch atmen. Dadurch wird das Zwerchfell aktiviert, das wiederum die inneren Organe massiert und dadurch zur Beruhigung des Körpers beiträgt.
Gesellschaftlich sind vor allem Männer dahingehend geprägt, nach außen eine starke Brust zu zeigen und den Bauch eher einzuziehen – im Falle dieser Übung eine kontraproduktive Entwicklung, die es hier zu verändern gilt. Um sicherzustellen, dass wir in den Bauch atmen, legen wir unsere beiden Hände in Rauteform auf unseren Bauch, wobei die sich berührenden Daumen in unserem Bauchnabel Halt finden und die berührenden Zeigefinger nach unten zeigen. Beim Einatmen drücken wir nun unseren Bauch durch die offene Raute. Was anfangs sehr mühsam wirken kann, wird nach wenigen Trainingseinheiten zur normalen Atmung und wir damit zu einem Resonanzkörper, dessen Fähigkeit zum entspannten Atmen sich immer mehr automatisiert.
Nachdem wir in den Bauch eingeatmet haben, setzen wir ein wunderbares Lächeln auf. Was in einer Stresssituation erst mal absurd wirkt, ist ein einfacher Trick, mittels dessen wir durch unsere Gesichtsmuskulatur unserem Gehirn signalisieren, dass gerade etwas Witziges oder Entspannendes passiert sein muss. Dieselben Teile der Gesichtsmuskulatur, die angeregt werden, wenn wirklich etwas Lustiges, Humorvolles oder Entspannendes passiert, können vica versa auch dem Gehirn zurückspielen, dass etwas Positives passiert sein muss – das Gehirn merkt nicht den Unterschied, ob real passiert oder nur kurzfristig gefakt. Durch das Lächeln setzen wir innerlich einen Prozess in Gang, den das Gehirn verwendet, wenn wir entspannte Situationen verspüren, schließlich lachen wir ja nur, wenn es uns gut geht oder etwas Erfreuliches passiert ist.
Während wir nun mit einem vollen Bauch (dank Einatmung) und einem Lächeln verharren, lassen wir diese Situation auf uns wirken und atmen lustvoll und bewusst aus. So, als wäre uns etwas gelungen und wir wären zufrieden, dass es geklappt hat.
Wenn die ALI-Übung regelmäßig praktiziert wird, wirkt sie in stressigen Situationen nach wenigen Sekunden und kann Stresstrigger dämpfen, die normalerweise unsere täglichen Begleiter sind. Auch wenn diese Übung an sich sehr ungewohnt ist, so zeigt sich aus der Erfahrung, dass sie aufgrund ihrer Einfachheit und Nachvollziehbarkeit hoch effektiv ist und sich sowohl im privaten Umfeld als auch auf dem Weg zur Arbeit oder am Arbeitsplatz umsetzen lässt. Wann immer eine Stresssituation ansteht oder aufpoppt, reichen wenige Sekunden, um die innere Überreaktion gegen das Auge des Beobachters einzutauschen. Wie bei jeder Übung gilt auch hier, dass erst die Regelmäßigkeit der Wiederholung zu einem achtsamen Automatismus führt, der uns durch den Tag begleitet.
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