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Slow Media: Warum weniger mehr ist

Mindstyle-Magazine stehen für eine neue Kultur der Langsamkeit. Am Beispiel von „Emotion Slow“ zeigt sich, wie dieser Wandel die Medienszene erfasst – und die Printbranche stärkt.

Slow Media Unsplash / Giulia Bertelli / CC0

Unsplash / Giulia Bertelli / CC0

Viele Jahre ist es her, da sprachen wir von „Lean back“- und „Lean forward“-Medien, wenn wir Print und Online unterscheiden wollten. Für mich passt diese Kategorisierung noch immer, wenn auch einiges anders geworden ist. Eine Zeitschrift lese ich optimalerweise im Zustand des Zurückgelehntseins, ich muss nur mit den Augen wandern, ab und an umblättern. Es raschelt, es riecht, meine Finger spüren das Papier. Das Netz verlangt mehr Sportlichkeit: Es gilt zu surfen, zu scrollen, zu klicken, Werbebanner auszublenden.

Meine Tochter, macht all dies mit größter Selbstverständlichkeit und im dreifachen Tempo wie ich. Es strengt sie nicht an – mich schon. Dabei liebe ich das Internet, brauche es. Aber entspannt habe ich mich noch nie damit. So appetitlich Pinterest und viele Blogs aussehen, sie machen nicht satt. Das hohle Gefühl im Magen bleibt: Wann soll ich diese vielen tollen Möglichkeiten alle noch ausprobieren? Indem ich noch schneller lebe? Aus diesem „Alles ist möglich, aber alles ist zu viel“-Gefühl heraus entstand vor zwei Jahren mein Konzept für „Emotion Slow“.

Es war die Sehnsucht nach einem intelligenten Magazin, das diese innere Zerrissenheit ausdrückt und zugleich stillt. Ein Magazin, dessen Claim „Mehr Zeit fürs Wesentliche“ ist. Seither sind viele „Mindstyle“-Hefte – wie sie irgendjemand aus der Medienszene getauft hat – am Kiosk nachgerückt. Einige davon suchen Seelenheil in Spiritualität und Esoterik: erst Tarotkarten legen, dann Chai trinken und darüber den Stress wegnippen. Deshalb stehen die Mindstyle-Hefte bei Kritikern im Ruf, so seicht wie ein Wannenbad zu sein.

Von „Slow“ kann ich sagen, dass unser Heft sehr reflektierte Leser hat – und zwar Frauen wie Männer. Sie wissen viel über den Syrienkrieg oder TTIP, überlegen, was sie für Flüchtlinge tun können, und fragen sich, wie das Klima noch zu retten ist. Doch sie sehen auch, dass das auf Dauer irre anstrengend ist. Dass man bei den großen Themen der Welt die Wertschätzung fürs Kleine, Alltägliche verliert. Und einem das Gefühl für das eigene Leben so möglicherweise abhanden kommt.

Bei der Themenauswahl fragen wir uns interessanterweise häufiger, was wir nicht machen, als was wir machen. Man könnte glauben, es ist die einfachste Sache der Welt, nur ein Foto auf einer Doppelseite zu zeigen. Ist es aber nicht, da wir eine riesige Menge an Bildern in der Redaktion haben, die in Konkurrenz zu diesem einen Bild stehen. Sich für eines zu entscheiden, heißt, schwer mit sich zu ringen. Aber es heißt auch: dem Leser eine Entscheidung abzunehmen. Wir wollen es ihm einfach machen. Die beste Inspiration habe ich meist in Kunstausstellungen, in denen nur ein paar Werke hängen. „The Art of Reduction“ hat in meinen Augen nichts streng Bevormundendes, sondern etwas liebevoll Kuratiertes.

Wir verzichten auf Sensationen, schnelle Hypes und oft viel zu umfangreiche Servicekästen. Stattdessen suchen wir Geschichten, die so leise und vermeintlich unspektakulär sind, dass man sie im Dauerrauschen des Blätterwaldes oft gar nicht wahrnehmen würde. Ihnen Platz einzuräumen, Momente des Alltags so zu dehnen, das sie Gewicht und Gestalt bekommen, ist der Gedanke dieses Magazins.

Für Nachrichten-Junkies werden Mindstyle-Hefte nie etwas sein. Aber ich bin überzeugt: Es wird immer mehr Menschen geben, die Kontemplation und Schönheit in gedruckter Form suchen. Eine Kritikerin der „Zeit“ schrieb: „Zwischen den naturgrauen Design-Seiten von Flow und Slow wird der Müßiggang vorzeigbar und gesellschaftsfähig.“ Na, das wäre doch wunderbar!

Von Andrea Huss