Die Erfahrungen der Corona-Pandemie zeigen ihre Auswirkungen, ebenso wie in der aktuellen Megatrend-Dokumentation, auch auf der aktuellen Megatrend-Map. Zwar hat auch dieses globale Ereignis mit seinen enormen Einschnitten in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben das Megatrendsystem und keinen einzelnen Megatrend in seinen Grundfesten erschüttert, gerade auf der Ebene der Subtrends sind aber zahlreiche Bedeutungsverschiebungen zu beobachten.
Unsere supermobile Gesellschaft hat sich verlangsamt. Die Corona-Pandemie und damit einhergehende Kontaktbeschränkungen sowie Reisewarnungen bremsten den Megatrend Mobilität aus und sorgten für Trendverschiebungen.
In der Vergangenheit führte ein immer mobilerer Lebenswandel auch zu immer weiter wachsenden Unterwegs-Märkten. Einkäufe wurden an verschiedensten Verkaufsorten praktisch „im Vorbeigehen“ getätigt. Flughäfen etwa realisierten bereits einen Großteil ihrer Umsätze über die Handelsflächen. Auch bei Tankstellen, Bahnhöfen und anderen Third Places drängte der Einzelhandel immer stärker in den Vordergrund. Dieser Trend hat sich durch die vorübergehende Immobilität der Gesellschaft stark abgeschwächt.
Fernreisen sind zwischenzeitlich in weite Ferne gerückt – für viele Menschen wurde es unvorstellbar, in ein Flugzeug zu steigen und auf der anderen Seite der Welt Urlaub zu machen. Dafür zeigt sich ein Shift hin zu Slow Travel und Resonanz-Tourismus. Urlaub auf dem Land, in der Natur, im eigenen Camper ist für viele Menschen zu einer attraktiveren Option geworden.
Auch langfristig wird der Massentourismus an Bedeutung verlieren. Schon vor der Pandemie war diese Art des Urlaubs – überfüllte Strände, dicht aneinander gedrängte Menschen in Einkaufsstraßen und vor Sehenswürdigkeiten – immer weniger attraktiv. In Zukunft kommt es noch mehr darauf an, in Resonanz zu treten mit der Umgebung und den Menschen vor Ort.
Schon vor der Pandemie war in der Gesellschaft der Trend Germophobia auszumachen: Die Angst vor Keimen und unsichtbaren Krankheitserregern. Durch Corona hat dieser Trend ein (trauriges) Hoch erlebt: Desinfektionsmittel und Masken waren ausverkauft, neue Begrüßungsrituale ohne Berührung wurden etabliert. Die Pandemie befeuerte aber auch den Trend zu Touchless Tech: Geräte oder Technologien, die ohne Berührung bedient werden können. Sie werden immer häufiger im Alltag, in Geschäften oder an öffentlichen Orten eingesetzt, um unnötige Berührungen und somit die Verbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden. Bargeldloses Bezahlen ist jetzt auch beim Bäcker um die Ecke möglich, intelligente Technologien regeln den Einlass in Geschäfte. Die Angebote und Einsatzmöglichkeiten von Touchless Tech, nicht zuletzt durch Gestensteuerung oder Stimm- und Gesichtserkennung, werden in einer zunehmend hypervernetzten Welt weiter zunehmen.
Während Lockdowns und Kontaktbeschränkungen wurde deutlich, wie wichtig die unmittelbare Umgebung des Wohnortes ist. Die Vorteile des Lebens in der Stadt – Gastronomie, Shopping Center, Kultur- und Freizeitangebote, lebendige Subkulturen etc. – wurden durch Corona plötzlich nichtig. In den Vordergrund trat das Superlokale: Der Park zwei Straßen weiter, der kleine Laden in der Nachbarschaft oder die Änderungsschneiderei in der unmittelbaren Umgebung.
Zurück zum Lokalen – aus der Notwendigkeit entstand in einigen Städten ein neues urbanes Gestaltungskonzept: Die 15-Minuten-Stadt. In einer Viertelstundenstadt soll der Raum so segmentiert und dezentralisiert werden, dass alle notwendigen Bereiche des alltäglichen Lebens innerhalb von 15 Minuten mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreicht werden können: Einkaufsmöglichkeiten, Arztpraxen, Bildungseinrichtungen, Behörden, sportliche Einrichtungen, Naherholungsflächen und öffentliche Verkehrsmittel sollen von jedem Punkt aus in kurzer Zeit erreichbar sein. So wird auch in Zukunft die Lebensqualität in Städten steigen.
Fake News und „alternative Fakten“ sind zum Alltag geworden und für manche Menschen zur Grundlage einer alternativen Realitätswahrnehmung. Es entstehen – in der Regel online – ganze Theoriegebäude zu bestimmten Themen, abseits von Wissenschaftlichkeit, Beweisbarkeit oder Logik. Diese sind meist harmlos, manchmal erzeugen sie jedoch gesellschaftliche und politische Unruhen, wie im Falle von QAnon, Impfgegnern oder sogenannten Querdenkerinnen. Gerade in der Corona-Pandemie hat sich dieser Trend weiter verstärkt. Ein weiteres Internetphänomen ist die Cancel Culture: Eine übermäßige Verbreitung systematischer Boykotte von Personen oder Organisationen, denen beleidigende oder diskriminierende Aussagen beziehungsweise Handlungen vorgeworfen werden. Sie kann als Versuch gewertet werden, Fehlverhalten öffentlich zu ächten und wirft die Frage auf, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und der sinnvollen Eindämmung menschenverachtender Haltungen verläuft.
Die zunehmende Konnektivität hilft gleichzeitig dabei, globale Protestbewegungen entstehen zu lassen. Als größte Jugendbewegung aller Zeiten steht Fridays for Future zugleich stellvertretend für eine neue Ära der globalen Protestkultur. Von #MeToo bis zu #BLM – überall auf der Welt haben Rebellionen gegen bestehende Ungerechtigkeiten in den vergangenen Jahren eine neue Dynamik erlebt. Die Aufstände des 21. Jahrhunderts sind digital empowered und global vernetzt.