One Life: Eine neue Vision von Natur
Die Natur ist für uns Menschen – wie für jedes andere Lebewesen auch – Lebensgrundlage und Ressource zugleich. Wir sind von ihr abhängig und ihren Kräften ausgesetzt, gleichzeitig formen wir sie in unserem Sinne. Und das immer mehr. Die Wissenschaft streitet zwar noch um den Begriff, doch mittlerweile sind sich viele Geologen einig: Spätestens mit dem ersten radioaktiven Niederschlag auf der Erde, dem seit dem ersten Atomwaffentest 1945 in den USA noch viele folgen sollten, leben wir in der Epoche des Anthropozän – das Erdzeitalter des Menschen, dessen Beginn für immer in Kernbohrungen der Erde sichtbar bleiben wird.
Mit der Erkenntnis des vor allem auch negativen Einflusses auf die eigene Lebensumgebung waren die Menschen lange Zeit schlichtweg überfordert. Sie waren erstarrt vor Angst vor ihrer Zerstörungskraft und geplagt von einem latent schlechten Gewissen dem Planeten gegenüber. Handlungen sind daraus jedoch wenige entstanden. Angst war und ist also ein schlechter Antrieb und „die Rettung der zukünftigen Welt“ ebenso. Was bislang fehlte, war ein Gedankenkonzept, eine Vision, die für jeden greifbar ist. Was ist also die neue Vision von der Natur?
Eine neue Vision von Natur
Die Natur als Gesamtheit hat keine Richtung und kein Ziel, es gibt kein ideales Gleichgewicht, es gibt kein gut oder schlecht, sondern sämtliche Ökosysteme sind immer dynamisch und im Wandel. Planeten selbst haben keinen Überlebensinstinkt und der Erde ging es auch früher nicht „schlechter“ mit wenig Artenvielfalt, mit der Eiszeit, mit Klimaextremen – oder ohne den Menschen. Anhand von Fragen nach umweltschädlichen Effekten menschlichen Handelns wie dem Klimawandel entfaltet sich also nicht wirklich eine Krise der Umwelt, sondern eine Krise unserer Bilder vom guten Leben auf der Erde, die plötzlich bedroht sind. Genau genommen gibt es für den Menschen einen „gesunden Planeten“ immer nur im Hinblick auf die besten Lebensbedingungen für ihn selbst. Wenn wir Menschen von der Rettung der Natur sprechen, dann meinen wir eigentlich unsere eigene, die untrennbar mit ihrer Umgebung verbunden ist.
Wir wünschen uns eine ganz bestimmte Art von Natur um uns: Umwelten, die aus menschlichen Errungenschaften bestehen (Städte, Felder, Gärten), aber auch aus Dingen und Lebewesen, die (zumindest scheinbar) nicht von Menschen geformt wurden, so wie Wälder, Rotkehlchen, Bergpanoramen, das Meer – oder die eigene Hauskatze. Diese Natur, die dem eigenen Wohlbefinden, der eigenen Gesundheit zuträglich ist, zu erhalten beziehungsweise zu erschaffen, ist heute das zentrale Anliegen der Menschen. Wo die schädlichen Auswirkungen auf die eigene Gesundheit spürbar werden, steigt die emotionale Involviertheit in das Thema: Die sommerlichen Rekordtemperaturen in Europa haben das Thema Klimawandel konkret spürbar gemacht, das Mikroplastik landet nachweislich nicht nur im Meer, sondern in unseren Körpern, ebenso die Hormone aus Massentierhaltung, der Feinstaub in der Luft. Die Illusion einer Grenze zwischen der Umwelt „da draußen“ und der eigenen Biologie löst sich auf. Natur ist und bleibt eine Ressource für die eigene Gesundheit, aber der Mensch denkt heute immer häufiger mit, dass sie ein Teil von ihm ist und er Teil von ihr. Das macht das Thema Umwelt so persönlich.
Gesundheit als Grundmotiv
Natur ist für uns das Synonym für ein gutes, gesundes Leben. Das Grundmotiv, an dem sich alles orientiert, ist letztlich unsere eigene Gesundheit. Das Wissen um externe Gesundheitsfaktoren und um die Eingebundenheit in größere Zusammenhänge wird dabei immer relevanter, wenn es etwa um den Einfluss von lokalen Industrieaktivitäten auf globale Umweltfaktoren geht oder um den Einfluss von lokalen Gesundheitsentscheidungen (Impfen oder nicht, Genveränderungen oder nicht) auf die Gesundheit der globalen Weltgemeinschaft. Daraus folgt auch die unvermeidliche Erkenntnis, dass ein Individuum alleine nicht die Macht hat, sich die beste aller Gesundheitsbedingungen zu schaffen, sondern dass das nur alle Menschen gemeinsam tun können, unter dem Gedanken der wechselseitigen Beeinflussung durch das eigene Handeln und im Wissen um die Eingebundenheit in größere Zusammenhänge.
Dieser Text ist ein gekürzter und veränderter Auszug aus der Trendstudie „Neo-Ökologie“: Diese beleuchtet den gleichnamigen Megatrend, der unsere Gegenwart prägen wird wie kein anderer. Umweltbewusstsein wird vom Lifestyle-Thema zu einer kollektiven Frage – und die Klimakrise bildet die Basis für die Entstehung einer neuen globalen Identität.