Risiken sind im 21. Jahrhundert komplex und dynamisch geworden. Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit und kein fixer Zustand, der „hergestellt“ werden kann, sondern eine Variable, die ständig neu ausgehandelt und aufgebaut werden muss. Die Frage, was Sicherheit bedeutet und wer sie verantwortet, erhält damit eine neue Dringlichkeit: Unser gesamtes Verständnis von Sicherheit steht auf dem Prüfstand – und erfordert künftig vor allem neue Strategien im Umgang mit Risiken und Unsicherheit.
Um zu verstehen, was Sicherheit heute und in Zukunft bedeutet, hilft ein Blick auf die Evolution unseres Sicherheitsverständnisses, das sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend gewandelt hat. So wird die Unterscheidung von innerer und äußerer Sicherheit, die im Zuge der Staatenbildung entstand, tendenziell wieder aufgehoben. Zudem haben sich zahlreiche neue Gefahren und Herausforderungen herausgebildet, die die Sicherheit des Staates, der Gesellschaft oder der Bürger und Bürgerinnen beeinträchtigen und die Bedeutung von Sicherheit sukzessive erweitern.
Die Benennung der Top-Risiken durch Sicherheitsexperten zeigt etwa, welche Themen über die Jahre als besonders relevant für Sicherheit und Stabilität gesehen werden. Schätzten Sicherheitsexperten vor einigen Jahren noch ökonomische Risiken als Top-Risiken ein, sind nun zunehmend ökologische Risiken wie extremes Wetter, Naturkatastrophen, der Verlust der Biodiversität oder menschengemachte Umweltkatastrophen an der Spitze. Themen rund um die Klimakrise gelten aktuell als die größte Bedrohung für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
Insgesamt werden heute viel mehr Probleme als sicherheitsrelevant angesehen als früher. Diese Erweiterung des Sicherheitsbegriffs hat die Verantwortung für Sicherheit bereits signifikant verschoben: vom Staat hin zur Gesellschaft und zum Individuum; von militärischer zu ökonomischer, ökologischer und humanitärer Sicherheit; von nationaler zu regionaler, internationaler und globaler Sicherheit. Und, vielleicht die weitreichendste Veränderung: von akuter Bedrohung hin zu Verwundbarkeit und Risiko.
Dass uns die Welt trotzdem so gewalttätig und gefährlich vorkommt, hat vor allem mit dem Zusammenspiel von menschlicher Kognition, Unterhaltungsindustrie und Journalismus zu tun, wie etwa Psychologe Steven Pinker erklärt. Menschen schätzen demzufolge Risiken und Wahrscheinlichkeiten anhand von Einzelberichten, Erzählungen und Bildern ein, und die Medienberichterstattung, insbesondere in Boulevardpresse und sozialen Medien, fokussiert auf plötzliche, meist negative Einzelereignisse. Über Terroranschläge, Kampfhandlungen oder Epidemien wird eher und intensiver berichtet als über positive Entwicklungen, die sich meist nur nach und nach entfalten. So wird unser gefühltes Sicherheitsempfinden beeinflusst.