Mittlerweile durchdringt der Megatrend Gesundheit alle Bereiche unseres Alltags und definiert ganze Lebensstile. Vor allem seit der Pandemie ist die Bedeutung von körperlicher Unversehrtheit zu einer Schlüsselressource geworden. Wissenschaft, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erfahren eine ganz neue Wertschätzung, zugleich geht der Zuwachs an Gesundheitswissen in der Bevölkerung mit neuen Ängsten – etwa einer Verstärkung des Trends Germophobia – einher.
Durch den Kampf gegen die Pandemie sowie die Auswirkung von Covid-19 auf das mentale Befinden entsteht ein neuer Fokus auf Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Gestaltung der Umwelt im Sinne der Gesundheit aller wird zur zentralen Zukunftsaufgabe, denn das Gesundheitsverständnis wird im Allgemeinen holistischer gedacht.
Bei Gesundheit geht es künftig immer weniger um die kleinteilige Betrachtung eines Individuums oder gar eines spezifischen Leidens, sondern sie wird ganzheitlicher betrachtet: Ein bestimmtes Symptom lässt sich nicht losgelöst vom restlichen Körper betrachten und der Körper nicht losgelöst von dem psychischen Empfinden des Individuums, seinen Verhaltensmustern, seinem Lebensstil, seinen Gewohnheiten, seiner sozialen Eingebundenheit, seiner Arbeitsumgebung und seiner Umwelt.
Die Kontexte, die in die individuelle Gesundheit mit hineinspielen, werden immer komplexer. Zunehmend geht es beim Thema Gesundheit nicht nur um die Verantwortung der oder des Einzelnen, sondern um ein komplexes Wirkungsgefüge. Viele Einflüsse liegen somit außerhalb der Kontrolle des einzelnen Individuums. Dieses ganzheitliche Konzept Holistic Health bezieht demnach nicht nur Körper und Geist, sondern auch die menschliche Umwelt mit ein – bis hin zur globalen Ebene. Denn schlussendlich hängt die Gesundheit des Einzelnen auch von der Gesundheit des Planeten ab.
Wie vielschichtig und komplex der Megatrend Gesundheit ist, verdeutlicht sich in den unterschiedlichen Facetten unseres Alltags, in denen er seine Wirkung zeigt.
Beim Essen geht es längst nich mehr nur um Nahrungsaufnahme. Der eigene Ernährungsstil ist heute nicht selten untrennbar verknüpft mit dem eigenen Lebensstil, den Werten, der Peergroup, der Identität. Gerade das Thema Vegetarismus beziehungsweise Veganismus zeigt, wie stark Ernährung heute mit Moral und Werten verwoben ist. Pflanzliche Alternativen gelten nicht nur als gut für die eigene Gesundheit, sondern auch für die Umwelt und den gesamten Planeten.
Neben der beständigen Suche nach der perfekten Ernährung ist es vor allem der Sport, der den Lebensstil vieler Menschen heute selbstverständlich prägt. Das Trainieren des eigenen Körpers ist neben der Zuführung von gesunden Lebensmitteln für viele ein wichtiger Lebensinhalt geworden. Das ständige Streben nach einem noch gesünderen oder fitteren Körper, nach einem immer weiter gesteigerten Wohlbefinden und optimierter Leistungskraft lässt die Themen Gesundheit und Selbstoptimierung immer mehr verschwimmen. Dies geschieht unter anderem durch digitales Self-Tracking, bei dem Schlaf, Bewegung und Ernährung mittels Apps, Schrittzähler oder Tracker-Armbändern festgehalten und ausgewertet werden. Diese können helfen, die eigenen Gewohnheiten zu verändern oder bisher nicht beachtete Zusammenhänge zu erkennen.
Die ständige (Selbst-)Überwachung kann allerdings auch zu Stress führen. Darüber hinaus geht es heute oft mehr darum, fit auszusehen, als fit zu sein. Unzählige Apps, Tutorials, Influencer, Online-Kurse und Wearables unterstützen Menschen in ihrer Arbeit an einem perfekten Körper. Beim Gegentrend Medical Fitness geht es indes weniger um eine optische Veränderung als vielmehr um die Verbesserung der körperlichen Fitness um der eigenen Gesundheit willen. Der Sportmarkt verschmilzt hier vollständig mit dem Gesundheitssystem.
Neben der optischen Formung des Körpers und medizinischen Aspekten dient Sport auch als wichtiger Ausgleich zur Kopfarbeit, trägt zur Identitätsbildung bei, erzeugt ein Wir-Gefühl oder aber sorgt im Leben für einen gewissen Adrenalinkick. Mittlerweile ist Sportivity ein Lebensgefühl geworden, das sämtliche Bereiche des Alltags durchdringt. So werden Sport- und Funktionskleidung nicht mehr nur beim Work-out getragen – mittlerweile sind Leggings, Yogapants und Jogginghose genauso wie Outdoor-Marken Teil der Alltagskleidung und Ausdruck von Lebensstilen geworden.
Die präventive Gesundheitsvorsorge fokussiert auf das Erhalten des aktuellen Gesundheitszustands und die Verminderung von Risiken, an bestimmten Krankheiten zu erkranken. Dies geschieht beispielsweise durch proaktive Gesundheits-Screenings, einen gesunden Lebensstil sowie frühzeitige Maßnahmen zum Erlernen von Stressbewältigungsstrategien. Preventive Health ist künftig ein umfassender Mix aus Maßnahmen und neu eingeübten Gewohnheiten, wobei Krankenkassen, Lebensstil-Entscheidungen und Corporate Health nahtlos ineinander greifen müssen.
Der Umsatz mit Digital-Health-Angeboten steigt weiter an: Einer Umfrage unter Branchenexperten zufolge könnten die Ausgaben für digitale Gesundheitsprodukte und -services 2025 weltweit 979 Milliarden Euro erreichen. Vor allem Digital-Health-Apps werden mittlerweile von vielen Konsumenten und Konsumentinnen als große Chance wahrgenommen. Beinahe jeder fünfte Deutsche hat mittlerweile eine Gesundheits-App auf dem Handy: So kann der Schrittzähler ermahnen, sich heute noch zu bewegen, die Ernährungs-App helfen, weniger Zucker zu essen, und die Menstruations-App an die dem Zyklus angepassten Nahrungsergänzungsmittel erinnern. Doch mit der vermehrten Nachfrage nach digitalen Gesundheitsanwendungen wächst auch das Risiko des Datenmissbrauchs. Gerade für sensible Gesundheitsdaten werden in der Gesellschaft transparente Standards für den Schutz des Endverbrauchers erwartet und gefordert. Gleichzeitig steigen aber auch die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an eine moderne Versorgung und an Alternativen zur Präsenzmedizin.
Ein großer Treiber digitalisierter Medizintechnologie und -services sind Anwendungen, die von Frauen für Frauen geschaffen werden. Lange blieb dieses Segment unbeachtet und hat doch eine erhebliche Nachfrage erfahren: FemTech beschreibt die Sparte der technischen Produkte, die speziell auf die Bedürfnisse der weiblichen Bevölkerung abgestimmt sind. Sei es eine App für Fragen rund um die Schwangerschaft, die gemeinsam mit Hebammen entwickelt wurde, oder ein multisensorisches Armband, das die fruchtbaren Tage von Frauen ermittelt – das Angebot im Bereich FemTech ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Nicht zuletzt tragen die neuen Services, Gadgets und Apps dazu bei, Themen rund um Fruchtbarkeit, Menstruation und Stillen zu enttabuisieren.
In Zukunft wird sich der FemTech-Sektor weiter ausweiten. Überall dort, wo die Frage des Gender Bias in der Forschung, Diagnostik und Therapie bisher außer Acht gelassen wurde, wird der Status quo hinterfragt. Eine medizinische Behandlung, die beispielsweise den männlichen Körper als Norm setzt, kann zu ernsthaften Diagnosefehlern führen und sich nachteilig auf die Lebenserwartung von Erkrankten auswirken. So ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehldiagnose bei einem Herzinfarkt sowie die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, bei Frauen deutlich höher, weil sogar Mediziner und Medizinerinnen vornehmlich männliche Symptome zum Standard nehmen. Dieser Gender Bias in der Medizin wird inzwischen Schritt für Schritt aufgearbeitet.
Psychische Leiden wie Depressionen, Angststörungen und Ähnliches werden von immer größeren Teilen der Bevölkerung als ernst zu nehmende Krankheit wahrgenommen. Vor allem junge Menschen in der westlichen Welt sind in den vergangenen Jahren immer besser darin geworden, ihre Gefühle bewusst wahrzunehmen und zu artikulieren – was auch dazu führt, dass sie eher dazu bereit sind, sich therapieren zu lassen.
Reiz- und Informationsüberflutung, Leistungsdruck, permanente Erreichbarkeit und der ständige Druck, sich zu optimieren, tragen maßgeblich dazu bei, dass die Krankenstände aufgrund psychischer Erkrankungen rapide steigen. Mental Health wird sich künftig weiter etablieren und die Prävention und Behandlung von psychischen Leiden werden zu zentralen Zukunftsthemen, die Individuen, Krankenkassen, aber auch Bildungsträger und Arbeitgeber beschäftigen. Die mentale Dimension wird künftig immer selbstverständlicher ins Konzept Gesundheit integriert.
Dieses ganzheitliche Verständnis von Gesundheit hat auch Folgen für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Bei Corporate Health geht es zunehmend um mehr als gesundes Essen in der Kantine und einen ergonomisch eingerichteten Arbeitsplatz. Auch die Arbeitsatmosphäre sowie der Umgang mit Stress, Konflikten und Krisen sind zentrale Bestandteile. Der Anspruch von Corporate Health ist künftig nicht mehr nur, für weniger Krankenstandstage zu sorgen, sondern für gesunde Arbeitskräfte, die sich wohlfühlen.
Eine gesundheitsfördernde Arbeitsumgebung zu schaffen, wird ein wichtiger Faktor im War for Talents. Denn gerade junge Menschen sind gesundheitsbewusst wie nie zuvor und sensibel für Arbeitsumgebungen, die ihnen nicht guttun. Auch das Ermöglichen von flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice schafft gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen. Aber auch der Gestaltung der Büroräume kommt eine entscheidende Rolle zu. Der Trend zu Healing Architecture, bei dem vor allem mit viel Licht, Luft und Grün für eine heilsame Umgebung gesorgt wird, lässt sich auch auf Büros übertragen.
Noch wird der Trend vor allem in der Gestaltung von Krankenhäusern umgesetzt. Denn nicht nur die Medikation und die Pflege spielen eine wichtige Rolle bei der Genesung: auch Faktoren wie Tageslicht, Geräuschpegel und Nahrung sind von großer Bedeutung. Gesundheitsbauten der Zukunft sind offen für Austausch und bieten Raum für Alltagserfahrungen – durch die Integration von Alltagsorten wie Bäckereien oder Cafés kann dem Gefühl der Isolation vorgebeugt und Kommunikation und Austausch können gefördert werden. Design und Architektur können die psychische und physische Gesundheit von Menschen maßgeblich beeinflussen.
Die ganze Macht des Megatrends Gesundheit zeigt sich – wie bei allen Megatrends – erst, wenn man ihn im Gesamtsystem der Megatrends versteht, denn Megatrends beeinflussen und verstärken sich wechselseitig. Gesundheit ist etwa stark vernetzt mit den Megatrends New Work und Individualisierung, was sich beispielsweise in der Frage nach gesunden Umgebungen, nach New-Work-Architekturen sowie nach der Verschmelzung von Leben und Arbeit, dem sogenannten Work-Life-Blending, zeigt. Soziale Einsamkeit und ihre gesundheitlichen Folgen stehen im Wechselspiel mit dem Megatrend Urbanisierung, der Wunsch nach natürlichen Arzneimitteln wird vom Megatrend Neo-Ökologie beeinflusst. Durch die Pandemie wurden die Megatrends Sicherheit und Gesundheit eng miteinander verwoben. Die Megatrends Gesundheit und Konnektivität bestärken sich gegenseitig, indem Digitalisierung im Healthcare-Bereich mehr und mehr zur Normalität werden.
Erst dieses ganzheitliche Verständnis ermöglicht es, alle strategischen Potenziale zu erkennen und zu nutzen. Zahlreiche Entwicklungen im Rahmen des Megatrends Gesundheit haben ihren Ursprung nicht in der Gesundheitsbranche oder werden von ihr vorangetrieben, sondern sind soziokulturelle Entwicklungen, die aus der Gesellschaft heraus entstehen, Auswirkungen auf viele Brancehn haben und sie zum Teil grundlegend verändern. Dabei geht es vor allem um gesundheitsorientierte Lebensstile und Einstellungen von Menschen, um Wertorientierungen, Bedürfnisstrukturen und Wünsche, die den sozialen Wandel prägen. Diese machen sich stark in der Konsumkultur, auf den Märkten und in Produktwelten bemerkbar – keineswegs nur im unmittelbaren Umfeld von Gesundheitseinrichtungen.
Das Wissen um die Entwicklungen im Rahmen des Megatrends Gesundheit lässt sich daher nicht nur im Gesundheitsbereich anwenden. Es kann auch entscheidende Hinweise auf Potenziale in anderen Branchen liefern und Grundlage für strategische Entscheidungen von Unternehmen fernab der Gesundheitsbranche sein.
Von Funktionsmedizin zur Health Integration
Warum ist Gesundheit ein Megatrend? Weil sie für die meisten Menschen das wichtigste Gut ist. Der medizinisch-therapeutische Komplex ist heute der größte der ganzen Welt, noch größer als der Digitalsektor. Und alle anderen Megatrends spielen der Gesundheit sozusagen in die Hände: Silver Society, Konnektivität, Neo-Ökologie, sogar die Globalisierung. Dieser Megatrend verändert schon seit Längerem seine inneren Kontexte, die Frames, in denen wir über Gesundheit denken.
In der frühindustriellen Zeit war man gesund, wenn man arbeitsfähig war. Vor etwa 30 Jahren begann sich ein neuer, proaktiverer Gesundheitsbegriff zu entwickeln: Der Fokus verlagerte sich auf Fitness. Man wollte der Krankheit sozusagen voraus sein, das ist die ursprüngliche Bedeutung von Wellness.
In den vergangenen zehn, 20 Jahren hat sich der Bedeutungsradius des Gesundheitlichen dann massiv ausgeweitet. Erst Wellness, dann psychische Gesundheit, dann Health Empowerment – eine ganze Kaskade von spirituellen und sozialen Kontexten führte zu einer völlig neuen Definition von Gesundheit: als Lebensstil, innere Konstitution und Sinnerfüllung.
Heute ist unser Gesundheitssektor gigantisch aufgebläht – und teilweise dysfunktional. Das Rückgrat der Entwicklung ist immer noch die Funktionalmedizin, aber es gibt auch starke Tendenzen zu alternativer oder komplementärer Medizin, zu magischen und spirituellen Heilangeboten. Das neueste Stichwort lautet Holistic Health: Gesundheit gerät mehr und mehr in einen ganzheitlichen Zusammenhang.
Der eigentliche Grund für diesen semantischen Shift ist eine unsichtbare Grenzlinie, die sich in der klassischen Medizin aufgetan hat. Die moderne technische Medizin ist heute zwar immer mehr in der Lage, einzelne Krankheiten aufzuhalten oder zu heilen, doch sie hat keine wirkliche Antwort auf die Frage der Gesamtgesundheit, des gesellschaftlichen Wellbeing, gefunden. So breiten sich Zivilisationskrankheiten weiter aus, gerade in den Schwellenländern – und in einigen Wohlstandsländern sinkt die Lebenserwartung sogar wieder. In den meisten Industriestaaten wird die Morbiditätsphase (die Zeitspanne der gesundheitlichen Behinderungen vor dem Tod) nicht kleiner oder weitet sich sogar aus. Vom klassischen Medizinsektor wird in den kommenden Jahrzehnten mehr und mehr ein „New Deal“ mit der Gesellschaft gefordert: Wie können wir Vorsorge ökonomisch in das Gesundheitssystem (das ja eigentlich ein Krankheitssystem ist) integrieren?
Holistic Health verbindet Umweltfragen, Lebensformen, Kulturfragen, ja selbst Architekturfragen mit einem radikal erweiterten Gesundheitsbegriff. Die Zukunft der Gesundheit sind nicht nur medizinische Glanzleistungen und medizintechnische Innovationen. Sondern vor allem: gesunde Städte, gesunde Arbeits- und Beziehungsformen – und gesunde Denkweisen.
Mit der individuellen Megatrend-Map gelingt es, schnell und effektiv die wichtigsten Trends für Ihre Organisation zu identifizieren. Unser Team stellt Ihnen in einem Informationsgespräch gerne dieses wirksame Tool vor, das Ihnen hilft, auf die für Sie wirklich relevanten Entwicklungen zu setzen!