Beim Thema Geschlechterrollen spitzen sich die Meinungen und Haltungen zu: Während die einen Geschlecht als Identität inszenieren, haben die anderen seine unmittelbare soziale Relevanz überwunden. Die Covid-19-Krise verdeutlicht auf globaler Ebene die Ambivalenzen zwischen Geschlecht als Identitätszwang und Gender als individuellem Freiheitsraum. Die polarisierenden Spannungen zwischen einer längst etablierten Gleichbehandlung und orthodoxen Traditionalisten erreichen ihren Höhepunkt.
Von feministischer Emanzipation zu neuen Geschlechterkonflikten
Um die Jahrtausendwende hieß der Megatrend Gender Shift noch „Megatrend Frauen“. Überall in den westlichen Ländern siegte die Emanzipation, es wurden neue Gesetze erlassen, die die Frauenrechte stärkten, die Erwerbsbeteiligung der Frauen stieg, und weibliche Karrieren wurden möglich. In den Schwellenländern kam es zu überraschenden Fortschritten in der Mädchen- und Frauenbildung. Die alte Männerherrschaft mit ihrem Machismus und Chauvinismus war auf dem absteigenden Ast. Seit den 1970er-Jahren, dem Jahrzehnt der langhaarigen Männer, schien die Feminisierung der Gesellschaft eine gesicherte (Zukunfts-)Bank.
Doch seit Mitte der 2010er-Jahre ist nun eine doppelte Veränderung sichtbar. Zum einen scheint die weibliche Emanzipation zu stagnieren: In vielen Ländern gewinnen patriarchale, ja sogar reaktionäre Vorstellungen wieder an Boden, Autoritarismus und Populismus beginnen eine neue Kampagne gegen die Emanzipation, bis hin zu den Abtreibungsverboten in den USA. Zum anderen scheint der weibliche Aufstieg in der Erwerbswelt in vielen westlichen Ländern erlahmt zu sein oder sich gar umzukehren. Und auch in der Frauenbewegung selbst gibt es Brüche und Streit.
Emanzipierte Frauen plädieren plötzlich für die entschiedene Mutterschaft, und die Frage, wie viele Geschlechter es gibt, wird zu einem hässlich ausgetragenen Kulturkampf.Tatsächlich ist das Gender-Thema durch seine Erweiterung in den LGBT+-Bereich in eine komplizierte Schleife aus Identitätsideologie und moralischer Panik geraten – was den Rollback gegen die Emanzipation in den kommenden Jahren noch verstärken könnte. Der Megatrend Gender Shift geht damit in eine Rekursionsschleife. Und zeigt, wie Megatrends „steckenbleiben“ können, indem sie sich sozusagen im Kreis drehen.
Eine Renaissance der Frauenbewegung, der Aufstieg des Autoritarismus und die Wiederkehr männlicher Gewaltverhältnisse tragen ihre Teile zum Übergang in eine entscheidende Phase bei, mit einer massiven Rückkehr der Geschlechterkonflikte in ihrer Machtdimension, weg von kulturellen Detaildiskursen und sprachlichen Deutungsstreits. Ganz fundamental geht es dabei um die Gestaltung von Gesellschaft, um den Aufbau politischer Strukturen und Wertesysteme. Manche Megatrends brauchen einen zweiten Anlauf.
Mit der individuellen Megatrend-Map gelingt es, schnell und effektiv die wichtigsten Trends für Ihre Organisation zu identifizieren. Unser Team stellt Ihnen in einem Informationsgespräch gerne dieses wirksame Tool vor, das Ihnen hilft, auf die für Sie wirklich relevanten Entwicklungen zu setzen