Hochhäuser aus Holz müssen viele architektonische und technische Herausforderungen meistern: Brandschutzbestimmungen, die natürlichen Alterungsprozesse von Holz, Debatten über Nachhaltigkeit und Sicherheit der Holzhochhäuser. Trotzdem hat das Interesse am Bauen mit dem Rohstoff Holz in den letzten Jahren stetig zugenommen und ist zuletzt nochmals stark angestiegen. Inzwischen ist Holz als Baumaterial sogar so beliebt, dass die Nachfrage größer ist als das Angebot.
Die Holzbauweise hat viele Vorteile für die Umwelt. Schätzungen zufolge könnte mit dem Austausch von Stahlträgern durch Holzwerkstoffe wie CLT (Anm.: Cross-laminated timber, engl. für Brettsperrholz) der Kohlenstoffdioxidausstoß um fast zehn Tonnen pro Tonne Holz reduziert werden. In einem anderen Beispiel wurde mit der Nutzung von Holzfußböden anstelle von Betonbodenplatten der CO2-Fußabdruck um etwa 3,5 Tonnen Kohlenstoffdioxid pro verwendeter Tonne Holz reduziert. Die gute Ökobilanz liegt zusätzlich daran, dass Holzhäuser Kohlenstoff binden können. Denn auch nachdem Holz gefällt ist, speichert es CO2 – und zwar zwischen 40 und 100 Jahre lang. Holz lässt sich außerdem sehr energiearm rückbauen und recyceln und kann viel umweltfreundlicher beseitigt werden als Baustoffe wie Stahl oder Beton.
Der Versuch, nachhaltiger zu bauen, bedeutet allerdings auch einen erhöhten Druck auf Wälder und nachhaltige Holzplantagen. In Österreichs Wäldern entsteht jede Sekunde ein Kubikmeter Holz. Am Tag ergäbe das Baumaterial für 2.160 Häuser aus Holz. Ein Drittel des jährlichen Holzzuwachses würde genügen, um alle Gebäude in Holz zu bauen. Holz ist also eine nachwachsende Ressource, trotzdem muss auf die Erhaltung des Waldbestands geachtet werden. Wie bei jeder Bauart gibt es beim Holzbau bessere und schlechtere Praktiken, sodass aus ökologischer Perspektive manchmal zu Recht eine Diskussion über Beschaffungsmöglichkeiten und Nachhaltigkeit geführt wird.
In jedem Zweig der Bauindustrie müssen Kompromisse ausgehandelt werden – ein angemessenes, strenges und vor allem vertrauenswürdiges System der Kennzeichnung und Zertifizierung ist nötig. Eine der bekanntesten für Holz ist das FSC-Siegel. FSC steht für „Forest Stewardship Council“ und ist ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltigere Waldwirtschaft. Holz und Holzprodukte mit FSC-Siegel kommen aus Wäldern, die verantwortungsvoll bewirtschaftet werden.
Holz wird nicht nur für den Gebäudebau eingesetzt, sondern auch immer häufiger für die Fassade oder Außenverkleidung. Ironischerweise ist der Faktor der Verwitterung, der Architekten und Architektinnen zuvor davon abhielt, Holz für Fassaden zu verwenden, genau der Grund, warum es heutzutage zunehmend eingesetzt wird. Denn dadurch kann ein authentisches und natürlich alterndes Aussehen geschaffen werden.
Ebenso steigt das Interesse für Thermoholz – Holz, das ausschließlich mit Wärme und Wasserdampf modifiziert und stabilisiert wird. Ziel der thermischen Holzmodifikation ist es, technische Eigenschaften des Baustoffs Holz zu verbessern: Durch die Hitzebehandlung wird eine hohe Fäulnisresistenz erreicht. Damit eignen sich auch heimische Hölzer für den Einsatz im Außen- und Nassbereich, ohne dass nach kurzer Zeit Schäden durch Pilzbefall entstehen, sodass sie statt tropischer Hölzer wie Teak genutzt werden können. Indem die Wasseraufnahmefähigkeit verringert wird, quillt, reißt und schwindet Thermoholz nicht so schnell. Weil bei der Herstellung keine Chemikalien eingesetzt werden, ist Thermoholz eine nachhaltige Wahl für eine natürliche Ästhetik und kann unter verschiedensten klimatischen Bedingungen verwendet werden.
Holz ist allerdings mehr als nur ein Baumaterial. Es hat eine große kulturelle und psychologische Bedeutung, und in vielen Kulturen der Welt auch eine symbolische: Von Österreich und England über Iran und Ägypten bis Rumänien und Bulgarien berühren Menschen Holz – als Glücksbringer oder im Aberglauben, dadurch etwas Schlimmes abwenden zu können. Die symbolische Bedeutung von Holz schlägt sich ebenso in der Sprache nieder: Der Ausspruch „klopf auf Holz“ ist weitverbreitet; wir klopfen auf Holz, um unser Glück zu besiegeln beziehungsweise um Unglück zu verhindern.
Wenn wir Holz in einer seiner vielen Facetten als Baumaterial nutzen, werden wir bewusst oder unbewusst von der Biophilie beeinflusst. Die Biophilie-Hypothese besagt, dass zwischen Menschen und anderen lebenden Systemen eine instinktive Verbindung existiert, und dass wir eine tiefe Bindung zu anderen Lebensformen wie zum Beispiel Bäumen besitzen. Der Begriff wurde von Edward O. Wilson in seinem Buch „Biophilia” geprägt, in dem er Biophilie als „den Drang, sich mit anderen Formen des Lebens zu verbinden“ definiert. In Holz finden Menschen Trost, Beruhigung, psychologische Unterstützung. In diesem Sinne erhält Holz eine neue Bedeutung und Dringlichkeit für die Zukunft des Bauens und Wohnens. Denn gerade in Zeiten multipler Krisen können wir Trost und Unterstützung gut gebrauchen.
Holz bietet außerdem eine Art Ausgleich zu unserem digitalen Leben, es ist eine visuelle Verbindung zur Natur in unserer täglichen Interaktion mit Gebäuden – sei es unser Zuhause, ein Freizeit- oder Arbeitsort oder ein Hotel oder ein Verwaltungsgebäude. Abgesehen von architektonischer Reputation und Design sprechen für Holz auch die vielen Nachhaltigkeitsaspekte, bessere Akustik und Luftqualität sowie die weiche Optik. Der Ansatz der Healthcare Architecture beschreibt die Entwicklung, dass im Healthcare-Bereich zunehmend Bauten entstehen, die die Natur in die Architektur integrieren, Ruheoasen, Rückzugsorte und Treffpunkte bieten – oft mithilfe des Baumaterials Holz. Denn inzwischen ist klar, dass Menschen in gesunden Umwelten auch schneller gesund werden.
Früher wurden hölzerne Strukturen, Behausungen oder Gebäude vor allem mit ländlichen Regionen assoziiert. Im Zuge des Holz-Booms wandern Wälder – in welcher Form auch immer – zunehmend in unsere urbanen Umwelten. Für die Beliebtheit von Holz in Stadtlandschaften ist neben dem Umweltaspekt auch die im Gegensatz zu Stahl und Beton eher weiche Optik des Materials bedeutend. Holzgebäude können die Stadtlandschaft auflockern und bringen Natur in die Architektur.
Ein Problem in den Städten ist neben dem begrenzten Platz und den baulichen Herausforderungen die Lärm- und Umweltbelastung durch Baustellen. In der Regel wird dieses Problem unterschätzt oder aufgrund von Zeit- und Kostendruck vernachlässigt, allerdings bekommen die Anwohnerinnen, Anwohner und Beschäftigten genau diese Belastungen am deutlichsten zu spüren. Andrew Waugh, Gründungspartner des Londoner Architekturbüros Waugh Thistleton Architects, der seit über 20 Jahren mit vorgefertigten CLT-Paneelen arbeitet, sieht im Bauen mit Holzwerkstoffen große Vorteile, um diese Störfaktoren von Baustellen in der städtischen Umwelt zu minimieren: „CLT-Baustellen sind sauber, leise und trocken, ohne dass ständig Baustellenabfälle, Zementmischer, Bohrhämmer oder Lastwagen auf der Baustelle auftauchen“, so Waugh.
Derzeit gibt es eine Art weltweiten Wettlauf um die höchste oder nachhaltigste Holzbauweise. Dafür werden immer mehr Wettbewerbe und Preise ausgeschrieben. Bauen mit Holz wird aber nicht nur für Wohngebäude beliebter und begehrter, sondern für jede Art von Gebäuden – von Bahnhöfen, wie dem in Trondheim, über Banken, wie die SR Bank Stavanger, und Museen, wie das Odunpazari Modern Museum in der Türkei, bis hin zu großen Industriegebäuden.
Das Mantra und Ziel der ökologischen Bewegung war es stets, die Wälder zu retten. Tatsächlich aber können die Wälder auch uns Menschen retten – aber auf eine andere Weise, als wir vielleicht annehmen. Das Konzept, sein eigenes Haus wachsen zu lassen, könnte ein zukünftiger Trend sein – ein Trend, bei dem Menschen in nachhaltige Wälder investieren und das Holz aus diesen Wäldern dann für den Bau ihres eigenen Hauses nutzen.
Das Fazit lautet: Wir befinden uns im Age of Timber: Die Technologien für den Holzbau verbessern sich und neue Gesetze, Verordnungen und Subventionen für Holzhochbau sorgen dafür, dass sich langsam das Stadtbild verändert, hin zu mehr Holz. Die Ausschreibung von prestigeträchtigen Wettbewerben für hohe Holzbauten führt auch zu einem höheren Ansehen für innovative Lösungen – vom Einsatz von Wellpappe bis hin zum modularen Bauen – und verstärkt weiterhin den Trend zum Bauen mit Holz.
Beim Holzbau lässt sich CO2 einsparen. Studien liefern allerdings unterschiedliche Angaben über die tatsächliche Höhe von CO2-Emissionen von Holzgebäuden – die Emissionen sollen in etwa 75 Prozent niedriger sein als die von Häusern mit Stahlkonstruktionen und 70 Prozent niedriger als die von Betonhäusern. Die Kalkulationen werden noch kniffliger, wenn man den gesamten Prozess betrachtet. Hier sind transparente und vertrauenswürdige Zertifizierungen wichtig. Holzhäuser sind nicht mehr „traditionelle“ oder altmodische Bauweisen, sondern die Option der Zukunft für eine umweltverträgliche Vorgehensweise – nicht nur für Wohnhäuser, sondern zunehmend auch für Industriegebäude. Eine große Herausforderung wird sein, dass nachhaltige Wälder mit der Nachfrage Schritt halten – der Trend zum Bauen mit Holz wird sich halten, auch wenn die Preise steigen und fallen werden.