Die selbstreflexive, individualisierte Gesundheit der Selfness-Phase geht in den kommenden Jahren in einen neuen Ansatz über. Über aktive Selbstoptimierung wird das neue Ziel einer Gesamtgesundheit anvisiert. Healthness – die Suche nach Kraft und Lebensenergie. Dabei wird die entscheidende Frage sein: Woher nehmen Menschen in Zukunft ihre Energie, um nicht dauergestresst und grunderschöpft durchs Leben zu gehen? Das Wissen um den menschlichen Körper und seine Funktionen wächst stetig. Zum veränderten Verständnis von Gesundheit tragen vor allem eine stetig weiter differenzierte Individualdiagnostik, neue, wissenschaftlich fundierte Heilmethoden, aber auch ein gestärktes Gesundheitsbewusstsein beim Einzelnen und breitere Diskussionsmöglichkeiten bei. Die Immer mehr Menschen erleben immer mehr Lebenszeit in immer besserer Gesundheit digitale Vernetzung schafft neue Möglichkeiten der Kommunikation sowohl von Patienten untereinander als auch zwischen Arzt und Patient.
Die Welt war nie gesünder als heute. Immer mehr Menschen erleben immer mehr Lebenszeit in immer besserer Gesundheit. Dieser Prozess findet auch in den Schwellenländern statt. Die Kindersterblichkeit ist weltweit in den letzten 20 Jahren um knapp die Hälfte zurückgegangen. Laut einem aktuellen UNICEF-Bericht starben 2011 6,9 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag, 1990 waren es noch über 12 Millionen. Vor allem in Nordafrika und Ostasien konnten große Fortschritte erzielt werden, was primär auf verbesserte medizinische Versorgung zurückzuführen ist. Höhere Gesundheits- und Hygienestandards, verbesserte Qualität in der Ernährung, aber auch der wachsende Wohlstand weltweit lassen die Lebenserwartung der Menschen ansteigen. In den Industrieländern liegt die Lebenserwartung bei Geburt im Jahr 2012 durchschnittlich bei 78 Jahren, in den Entwicklungsländern bei 68 Jahren. Dabei existieren große Unterschiede von Land zu Land: In Japan liegt die Lebenserwartung zum Beispiel höher als in Deutschland, in China höher als in Russland. Namibia hat zwar nur eine Lebenserwartung von 62 Jahren, übertrifft damit aber alle anderen Länder im südlichen Afrika um acht bis zwölf Jahre. In Lateinamerika werden alle Kinder, die 2012 geboren wurden, im Schnitt mindestens 70 Jahre alt. In Asien sind die Unterschiede immens: 62 Jahre werden die Menschen in Kambodscha, in Afghanistan im Schnitt gar nur 49 Jahre, wohingegen die Bewohner von Singapur und Hongkong 82 bzw. 83 Jahre Lebenszeit zu erwarten haben.
Rund zwei Milliarden Menschen befinden sich derzeit weltweit auf dem Weg aus der extremen Armut in einen bescheidenen Wohlstand. Diese neuen Lebensweisen und die Sicherung der Gesundheitsgrundversorgung verändern auch die Krankheitsprofile, weg von lebensbedrohlichen Akutkrankheiten zu sogenannten Lebensstil-Krankheiten. Der Anteil übergewichtiger Jungen in Brasilien, Mexiko und Russland ist inzwischen höher als in Deutschland. Zivilisationskrankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes verursachen vor allem in Afrika und Südostasien einen Großteil der Todesfälle der unter 70-Jährigen. Innovationen in der Gesundheitsversorgung werden daher künftig vor allem genau diese Lebensstil-Krankheiten zu kurieren suchen.
Gerade aus den Dritte-Welt-Ländern, die unter einer nicht ausreichenden medizinischen Versorgung vor Ort leiden, kommen weitreichende Innovationen in Sachen mobile Gesundheitstools. In vielen Entwicklungsländern gibt es zwar nur wenige Ärzte und Krankenhäuser für eine Vielzahl von Einwohnern, doch ein gut funktionierendes Handynetz. Die Entwicklungsländer sind die am schnellsten wachsenden Märkte für Mobiltelefone: Von 660 Millionen neuen Mobilfunkverträgen weltweit wurden 80 Prozent in den Emerging Markets abgeschlossen. Den größten Zuwachs an Mobiltelefonen konnten 2011 Brasilien, Costa Rica, Kasachstan, Laos und Mali verzeichnen. In den afrikanischen Hierzulande äußert sich der Trend zur mobilen Gesundheit vor allem in einer Unzahl von Health-Apps Ländern Botswana, Gabun, Namibia, Seychellen und Südafrika übersteigt die Anzahl der Mobiltelefone sogar die Einwohnerzahlen. Die Vernetzung via Mobiltelefon kann genutzt werden, um die Kommuni- kation von Medizinern über Entfernungen und Grenzen hinweg zu verbessern. Mit SMS können zum Beispiel Patienten Fragen zu ihrem Gesundheitszustand stellen, Jugendliche zu Gesundheitsthemen beraten oder Eltern über wichtige Impfungen für ihre Kinder informiert werden.
Hierzulande äußert sich der Trend zur mobilen Gesundheit vor allem in einer Unzahl von Health-Apps fürs Smartphone. Laut BITKOM sind 15.000 Apps zum Thema Gesundheit allein in Deutschland auf dem Markt. Weltweit existieren ca. 40.000 mHealth-Apps, Tendenz rasant steigend. Die Downloadzahlen haben sich von 2011 mit 124 Millionen auf 247 Millionen im Jahr 2012 beinahe verdoppelt. Diese kleinen Helferlein spornen ihre Nutzer an, gesteckte Fitnessziele zu erreichen, Unterstützung beim Abnehmen zu erhalten oder Gesundheitsentscheidungen zu treffen. Sie richten sich vor allem an gesunde Nutzer und werden zum ständigen Begleiter. Spielerisch gesund bleiben ist dabei in den meisten Fällen die erfolgversprechende Devise.
Doch auch in Krankenhäusern und Arztpraxen ersetzen mehr und mehr mobile Tools althergebrachte Gerätschaften: Die Visite wird per Tablet-PC erledigt, Vitalfunktionen werden nicht mehr per Stethoskop abgehört, sondern mit einem mobilen, kabellosen Sonographie- System überprüft. Und im Notfall steht der Arzt für ein persönliches Gespräch am Smart- phone zur Verfügung. Der mobile Gesundheits-Prosument muss in Zukunft nicht mehr zum Arzt gehen. Mit neuen technischen Hilfsmitteln kann der Arzt ihn auf Schritt und Tritt begleiten. Schon heute bieten Retail Clinics mit flexiblen Öffnungszeiten oder rund um die Uhr nutzbare Medikamentenautomaten an Orten wie Supermärkten oder Einkaufszentren medizinische Versorgung für die mobilen Nomaden, die unter Zeitknappheit leiden.
Eine wichtige Voraussetzung für den mobilen Einsatz der Diagnosetools ist deren permanente Vernetzung. Zudem wandelt sich die Arzt-Patienten-Kommunikation durch die zunehmende digitale Vernetzung radikal: Viele Gesundheitsfragen werden schon heute offen im Netz besprochen und diskutiert. Die Digitalisierung der Gesundheit schreitet mit großen Schritten voran. Dr. Eric Topol spricht von der „Demokratisierung von Daten und einer sozialen Vernetzung von Medizin“. Wir stehen vor einem Umdenken im Gesundheitssystem, das jahrzehntelang Patienten als tapfer Erduldende und den Arzt als wissende Instanz konstruierte. Soziale Gesundheitsbewegungen im Netz (im Sinne der beliebten Social Networks) machen einstige Patienten zu Gesundheitsprosumenten, die dem Arzt auf Augenhöhe begegnen. Das Netz wird zum medizinischen Ratgeber, in dem die mannigfaltigsten Informationen zu Gesundheitsanbieter sind längst zu bewertbaren Dienstleistern geworden und müssen in einen Dialog mit den Patienten treten Gesundheitszuständen und Krankheitsbildern zu finden sind. Auch wenn Standards zur Verlässlichkeit der Information bislang fehlen: Mehr als die Hälfte der Deutschen (54 Prozent) nutzt das Internet, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren, vor fünf Jahren lag der Anteil noch bei 34 Prozent. In den europäischen Ländern besorgen sich inzwischen 41 Prozent der Verbraucher gesundheitsrelevante Informationen über das Netz. 2006 lag der Wert noch bei knapp der Hälfte (22 Prozent).
Nicht nur der Information, sondern auch der Kommunikation über Gesundheit scheinen keine Grenzen gesetzt: Virtuelle Selbsthilfegruppen in Form von Foren oder sozialen Netzwerken und Beratungsplattformen boomen. Der gegenseitige Austausch wie auch die Solidarität der Betroffenen spielt eine wichtige Rolle für deren Nutzung. Ärzte-Bewertungsportale zeigen, dass Gesundheitsanbieter längst zu bewertbaren Dienstleistern geworden sind und in einen Dialog mit den Patienten treten müssen, um weiter bestehen zu können. Eine Umfrage des Ärztenachrichtendienstes belegt, dass mehr als jeder zweite niedergelassene Arzt soziale Netzwerke nutzt, um mit den Patienten in Kontakt zu treten. Die Hälfte der Befragten räumt den Sozialmedien in Zukunft eine wichtige Rolle ein.
Wer offen im Netz über seine Gesundheit spricht, hinterlässt dort auch private Gesundheitsdatenspuren. Das individuelle Kranksein nimmt den Weg aus der Privatsphäre in die Öffentlichkeit. Ein Thema, das die Gesundheitsdebatte auch in den nächsten Jahren noch prägen wird, ist das Lagern von Gesundheitsdaten in der Cloud. So zeigte eine deutschlandweite Befragung der BITKOM bereits 2009 ganz klar eine Befürwortung der Health-Cloud: 75 Prozent finden es gut, wenn ihre Gesundheitsdaten zentral an einem sicheren Ort gespeichert werden. Für die Gesundheitsindustrie ist der Treiber ganz eindeutig die Kostenreduzierung: Effizienz und Qualität im Gesundheitssektor können laut einer Studie von McKinsey durch die Offenlegung von Gesundheitsdaten erhöht und die Gesundheitsausgaben, beispielsweise der USA, um acht Prozent jährlich gesenkt werden. Doch die Gesundheits-Cloud kann erst dann zum Selbstläufer werden, wenn der informierte und mündige Patient zum aktiven Mitgestalter von Gesundheit wird.
Die Möglichkeiten, die das Netz zur Informationsbeschaffung bietet, machen das Gesundheitswissen so vielfältig wie nie zuvor. DEN Experten gibt es nicht mehr, ebenfalls keine Entweder-Oder-Gesundheitsbehandlungen. Die gestiegenen Wahlmöglichkeiten zwingen die Wissenschaften immer häufiger, über ihre Disziplingrenzen zu blicken und neue Lösungsansätze in Kollaborationen und transdisziplinären Projekten zu erforschen: „60 Prozent der Hausärzte wenden komplementäre Behandlungsmethoden an. Die Zusatzqualifikationen in diesem Sektor haben sich zwischen 1993 und 2008 verdreifacht“, betont die Privatdozentin Dr. med. Stefanie Joos vom Universitätsklinikum Heidelberg. Während Deutschland in Sachen alternative Heilmethoden noch im Dornröschenschlaf schlummert, Wissenschaftliches Wissen und Erfahrungswissen verschmelzen immer mehr zu einem integrierten Medizinverständnis steckt die US-Regierung jährlich 129 Millionen Dollar in die Komplementär- medizin-Forschung. Dabei liegt das Interesse an Naturheilmitteln in Deutschland bei immerhin 53 Prozent. Wo die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt, wird immer mehr „der andere Weg“ gesucht und mit den Mitteln der Traditionsmedizin ergänzt. So entsteht eine „neue Integrationsmedizin“, die das Beste beider Welten verbindet.
Wissenschaftliches Wissen und Erfahrungswissen verschmelzen immer mehr zu einem integrierten Medizinverständnis. Public Private Partnerships (PPP) zwischen Forschungseinrichtungen und privatwirtschaftlichen Unternehmen sind für beide Seiten fruchtbare Kooperationen und machen Wissenschaft wettbewerbsfähig. Schon heute wird Forschung in Deutschland zu zwei Dritteln von der Wirtschaft finanziert. Deutschland und auch Österreich liegen damit weit über dem Durchschnitt der OECD-Länder mit gerade mal knapp 61 Prozent. Während die weltweite Wirtschaftskrise negative bzw. stagnierende Auswirkungen auf die Innovationstätigkeiten der Unternehmen in Ländern wie Japan und Großbritannien hatte, konnte China einen immensen Zuwachs im Forschungs- und Entwicklungsbereich der Unternehmen um 26 Prozent verzeichnen. In der deutschen Gesundheitswirtschaft liegt die Quote der FuE-Investitionen mit 9,1 Prozent Umsatz so hoch wie in fast keinem anderen Bereich, knapp geschlagen von der Luft- und Raumfahrtbranche (9,7 Prozent). Gesundheitsprodukte Made in Germany sind ein regelrechter Exportschlager.
Ärzte werden mehr und mehr zu ökonomischen Wettbewerbern des Handels im Bereich der Gesundheitsprodukte. Das belegen auch die immens gestiegenen Werbeausgaben der Gesundheits- und Pharmabranche insgesamt: Lagen die Ausgaben von 2000 bis 2005 im Schnitt bei ca. 630 Millionen Euro, zeichnet sich seit 2006 ein rasanter Anstieg auf heute 930 Millionen Euro in Deutschland ab.
Früher war die Arbeit schuld am Krankwerden – ätzende Flüssigkeiten, Lärmbelastung durch Maschinen, giftige Dämpfe. Heute ist Arbeit nicht mehr bloß Broterwerb, sondern macht Spaß: Wir sind zu „Genussarbeitern“ geworden (Svenja Flaßpöhler), die sich frei in ihrer Arbeitsgestaltung fühlen, aber dennoch in einer Gesellschaft leben, die den Einzelnen nach Erfolg und Leistung misst. Die Verantwortung für Gesundheit liegt dabei zunehmend beim Einzelnen. In Zeiten von flexiblen Jobmodellen, in denen Arbeit jederzeit und von überall ausgeführt werden kann, sind es weniger die Bedrohungen von außen als die inneren Gesundheitsrisiken: Stress, Information Overload, geistige Dauerüberforderung und im schlimmsten Fall Burn-out.
Obwohl wir statistisch betrachtet weniger arbeiten als je zuvor, fühlen sich 52 Prozent der Deutschen oft oder sogar sehr häufig bei der Arbeit gehetzt und stehen unter Zeitdruck. Menschen, die unter Freizeit und Arbeit verschmelzen immer mehr, Arbeitszeit wird zum Raum für Selbstverwirklichung und Gesundheit enormem Stress stehen, nehmen ihre Arbeit auch verändert wahr: Sie haben im Gegensatz zu „Nichtgestressten“ eher den Eindruck, in den letzten Jahren immer mehr in derselben Zeit leisten zu müssen, und es fällt ihnen schwer, nach der Arbeit abzuschalten. 15 Prozent nehmen die Arbeit mit nach Hause, und 27 Prozent müssen auch außerhalb der Arbeitszeiten sehr häufig oder oft für berufliche Belange per Mail oder Telefon erreichbar sein. Die einst getrennten Sphären Freizeit und Arbeit verschmelzen immer mehr: Freizeit ist nicht mehr nur die Erholung vom Zwang des Alltags. Im Gegenzug wird Arbeitszeit, getrieben vom Megatrend New Work, zum Raum für Selbstverwirklichung und Gesundheit. Doch althergebrachte Gesundheitsmaßnahmen in Unternehmen greifen gerade in Sachen mentaler Gesundheitsvorsorge oft zu kurz. Die steigende Komplexität der Arbeitswelt braucht vielschichtige Lösungen und ein neues Maß an Verantwortung auf allen Seiten.
Corporate Health wird in Zukunft für Unternehmen zur Notwendigkeit: Neben der Förderung von körperlicher Gesundheit muss der Fokus vor allem auf die geistige Gesunderhaltung gelegt werden. Ein klares Gesundheitsmanagement im Unternehmen – Hand in Hand mit den Arbeitnehmern – bietet Wettbewerbsvorteile und wird zum Schlüsselfaktor erfolgreicher Geschäfts- modelle. Wohlfühlen erhöht die Produktivität und Entspannung steigert die Kreativität. Diese zwei Maximen müssen im Corporate-Health-Ansatz der Unternehmen fest verankert werden.
Das subjektive Gefühl von Gesundheit steigert sich immer mehr in ein Glückserleben. Über die aktive Selbstoptimierung wird das neue Ziel einer Gesamtgesundheit anvisiert: die maximale Ausbeute der Lebensenergie. Entscheidend ist die umfassende Rückbesinnung auf den Körper: Seine Funktionen und Wirkungsweisen werden als integrales Gesamtsystem neu bewertet. Dabei kommt dem Einzelnen steigende Verantwortung zu, denn die Energie, die einem Menschen zur Verfügung steht, wird in Zukunft noch mehr darüber entscheiden, ob man „gesund“ ist. Drei Aspekte nehmen Einfluss auf die Lebensenergie: Umwelteinflüsse, Erwartungen, Konstitution und Lebensweise
Ausgewogene Ernährung, körperliche Fitness, individuelle Vorsorge, Krankheitsprävention, all das zeigt sich deutlich im Alltag. Seit Jahren geht der Bierkonsum in Deutschland zurück: In den letzten 20 Jahren sank der Konsum von 113,9 Millionen Hektoliter auf 87,7 Millionen Hektoliter 31 Prozent der Deutschen achten auf gesunde Ernährung, 23,6 Prozent gar auf kalorienbewusste Kost im Jahr 2011.
Im Gegenzug konsumieren die Deutschen deutlich mehr Wasser. Gesunde Ernährung ist seit Jahren ein Dauerbrenner: 31 Prozent der Deutschen achten auf gesunde Ernährung, 23,6 Prozent gar auf kalorienbewusste Kost. Der einstige Coolness-Faktor der Zigarette verpufft: Rauchen gilt inzwischen nicht nur als Gesundheitsrisiko par excellence, sondern ist schon regelrecht verpönt: Der Zigarettenkonsum in Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert. Sprachen sich 2005 gerade mal gut die Hälfte der Deutschen für ein Rauchverbot in Gaststätten aus, gehört es heute nach Einführung der Nichtrauchergesetze 2007 zur Selbstverständlichkeit: 2010 waren zwei Drittel Befürworter der Rauchfreiheit in Restaurants und Kneipen. Doch nicht die Gesetze oder Kampagnen sind ausschlaggebend für den Rückgang des Zigarettenkonsums, sondern ein gestärktes Bewusstsein und eine wachsende Selbstverantwortung der Konsumenten.
Die Zahl der Menschen, die sehr auf ihre Gesundheit achten, ist in den letzten Jahren Schritt für Schritt größer geworden. Vor 20 Jahren betonten erst 24 Prozent der deutschen Bevölkerung, dass sie sehr gesundheitsbewusst leben, heute sind es bereits knapp 32 Prozent. 85 Prozent der Deutschen sind an Informationen zu gesunder Ernährung und Lebensweise interessiert. Knapp 33 Prozent sind auch bereit, hohe Ausgaben in Kauf zu nehmen, wenn es ihrer Gesundheit dient. Gesundheit wird mittlerweile von allen Altersgruppen als Grundkapital angesehen, in das sich zu investieren lohnt. Der Erfolg von Wellness und Bio-Food zeigt, dass Gesundheit und Genuss zwar gewinnbringend vermarktet, aber nicht „mal eben“ verbraucht werden können. Damit wird Gesundheit zu einer privaten Investition – in das eigene Lebensglück.
Gesundheit ist ein Verkaufsargument, das in allen Branchen funktioniert; sie ist längst zum bevorzugten Konsumgut und Lifestyle-Produkt geworden. Das Volumen des zweiten Gesundheitsmarktes mit den wichtigen Branchen Wellness, Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsreisen hat mit ca. 180 Milliarden Euro inzwischen bereits an den klassischen ersten Gesundheitsmarkt angeschlossen – und seine Potenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft. Neben den klassischen Playern werden zudem auch andere Branchen in den kommenden Jahren den sich verändernden Gesundheitsmarkt erobern.
Der Healthness-Trend versteht Gesundheit als Gesamtsystem, das auch in verstärktem Maße auf Umwelteinflüsse reflektiert. Es gilt nicht nur, den Körper gesund zu erhalten, sondern auch die direkte Umgebung. Wie wir unsere Wohnräume gestalten, hat großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Feng Shui ist längst ein allgemein bekannter Begriff. Mitdenkende, sogenannte smarte Einrichtungsgegenstände, die für eine gesunde Wohlfühlatmosphäre sorgen, bieten der Interieur-Branche neue Chancen für die privaten vier Wände. Selbst Unternehmen setzen verstärkt auf ein positives Arbeitsumfeld, das besonders auch im Design der Räume seinen Ausdruck findet. Räume sollen den jeweiligen Arbeitsanforderungen und -situationen entsprechen: Kreativität anregen, Konzentration fördern, Entspannung bieten, zu Kommunikation ermuntern. Arbeitsorte werden zu „Healthy Workspaces“.
Das wachsende Bedürfnis der Menschen nach einer gesund erhaltenden Umgebung äußert sich ferner in einer neuen, gesunden Architektur bei der Gestaltung der Städte. „Wie können wir unsere Welt baulich so gestalten, dass wir unser Leben und unsere Körper verbessern?“ fragt sich z.B. das New Yorker Architekturbüro Urban Movement Design. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass eine gut strukturierte Umgebung den Lebensstil der Menschen verändern und zu einer physischen und mentalen Verbesserung führen kann.
Die Digitalisierung der Gesundheit bietet vor allem der Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche neue Marktpotenziale in der Zusammenarbeit mit der Health-Industrie. Es zeigt sich, dass gerade die traditionellen Player auf dem Gesundheitsmarkt wie Krankenkassen oder die Pharmaunternehmen den Trend zu E-Health gewaltig verschlafen haben: Die meistgenutzten Health-Apps werden nicht von großen Gesundheitsmultis angeboten, sondern von unbekannten Startups oder gar privaten Entwicklern. Im Gesundheits-Gaming-Bereich sind es Software- und Telekommunikationsunternehmen Im Gesundheitsmonitoring steckt noch unerschöpftes Potenzial, insbesondere im Hinblick auf eine alternde Gesellschaft und aufstrebende, kreative Software-Entwickler die für den gesunden Spielespaß sorgen.
Weltweit agierende Pharmaunternehmen und Health-Care-Anbieter sowie die Telekommunikationsbranche setzen dagegen verstärkt auf die Entwicklung App-gestützter Medizingeräte wie Puls- oder Blutzuckermessgeräte, die immer und überall eine Basisdiagnose liefern. Zudem steckt im Gesundheitsmonitoring, besonders im Hinblick auf eine alternde Gesellschaft und eine steigende Anzahl an pflegebedürftigen Menschen weltweit, noch unerschöpftes Potenzial: Technische Entwicklungen wie RFID-Chips, QR-Codes, Biosensoren oder Near-Field-Communication machen die drahtlose Verknüpfung und Kommunikation von Gegenständen, aber auch Menschen möglich: z.B. können Medikamentenlieferungen verfolgt, Geräte geortet oder der Aufenthalt von Patienten oder Pflegepersonal bestimmt werden.
Der Megatrend Gesundheit wandelt sich vom individuellen Gesundheitsmanagement zu einer Rückbesinnung auf den Körper: Gesundheit wird als Gesamtsystem wahrgenommen. Die Suche nach Lebensenergie wird in den kommenden Jahren den Lebensstil der Menschen entscheidend beeinflussen und gesund oder krank neu definieren.
Das Wissen über Gesundheit und den menschlichen Körper wird weiter radikal anwachsen. Die Öffnung der Wissenschaft über Disziplingrenzen hinweg fördert das Querdenken und ermöglicht neue Sichtweisen und Behandlungsmethoden. Es entsteht eine neues, integriertes Medizinverständnis, das wissenschaftliches Forschungswissen mit Erfahrungswissen verknüpft.
Die digitale Vernetzung prägt die Gesundheit von morgen. Gesundheit wird in die Cloud verlagert, Fragen offen im Netz diskutiert, Diagnose-Tools werden mobil verwendet. Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient wird sich grundlegend verändern.
Quelle: Megatrend Dokumentation
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