Hanf-Hype: Trend mit großem Marktpotenzial
Rund 80 Jahre war Cannabis fast überall auf der Welt weitgehend verboten. Marktbeobachter sind sich sicher: Die Legalisierung von Cannabis, lateinisch für Hanf, war der Startschuss für einen regelrechten Nachfrageboom. Inzwischen spricht man längst von einem „Green Rush“, in Anlehnung an den Gold Rush des 19. Jahrhunderts. Ende 2012 wurde Cannabis in Colorado und Washington legalisiert, weitere US-Bundesstaaten folgten. Seit 2018 ist Cannabis in Kanada ein legales Rauschmittel für Personen ab 19 Jahren. In immer mehr Ländern des amerikanischen Kontinents und in Europa wird der Freizeitgebrauch von Cannabis entkriminalisiert; und Cannabis darf zu medizinischen Zwecken verschrieben werden. In Deutschland ist der Einsatz von Medizinalcannabis seit 2017 erlaubt.
Obwohl in der Cannabis-Pflanze über hundert Cannabinoide enthalten sind, ist sie vor allem wegen zwei Wirkstoffen berühmt-berüchtigt: Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC wirkt berauschend und aktivierend – aus diesem Grund wird Cannabis als Droge, aber auch als Arzneimittel genutzt. Der Wirkstoff Cannabidiol (CBD) hingegen ist nicht psychoaktiv und kommt vor allem zur Beruhigung, Entspannung und als Entzündungshemmer zum Einsatz. Er wird vornehmlich in Form von Ölen, Tropfen und als Nahrungsergänzungsmittel verkauft. So erstaunt es nicht, dass die Pflanze bereits eine Jahrtausende alte Tradition als Heilpflanze aufweist und eines der ältesten bekannten Rauschmittel darstellt. Und nun zu neuen Ehren kommt.
Pandemie befeuerte Cannabis-Konsum
Im Zuge der Pandemie wurde Marihuana rund um den Globus neu entdeckt. Die Global Drug Survey Special Edition on COVID-19 belegt, dass 28 Prozent der Menschen in den vergangen 30 Tagen Cannabis-Produkte, die THC enthielten, zu sich genommen haben. Für diese Studie wurden knapp 56.000 Personen in elf Ländern befragt, wobei etwas weniger als die Hälfte der Befragten aus Deutschland stammen. Weitere neun Prozent gaben zudem an, CBD-haltige Cannabis-Produkte genutzt zu haben.
Der Konsum stieg vor allem bei denjenigen an, die auch schon in früheren Jahren auf die Wirkung von Marihuana gesetzt hatten. 39 Prozent dieser Konsumentinnen und Konsumenten, die im vergangenen Jahr Cannabis zu sich genommen hatten, berichteten von einer Ausweitung ihres Konsums, vor allem die Befragten in den USA und Australien (jeweils knapp 50 Prozent). Eine weitere Nutzergruppe, die ihren Konsum ausweitete, sind Menschen mit bestehenden psychischen oder neurologischen Erkrankungen. Doch während der Cannabis-Konsum vor der Pandemie auch einen starken sozialen Zweck erfüllte, hat sich nun die Zahl der Alleinkonsumierenden erheblich ausgeweitet. Wer noch gemeinsam kiffte, vermied es immerhin, den Joint oder Vaporizer zu teilen (43 Prozent), 37 Prozent achteten demnach auf das Einhalten des empfohlenen Mindestabstands und ein knappes Fünftel wusch sich auch immer die Hände, bevor die Drogen für den Konsum vorbereitet wurden.
Therapien mit Hanf
In Deutschland dürfen Ärztinnen seit März 2017 Cannabis unter strengen Auflagen als Arzneimittel verschreiben. Hanf kann dazu beitragen, Schmerzen oder Symptome wie Übelkeit und Appetitlosigkeit bei Krebserkrankungen, auch in der Palliativmedizin, zu lindern. Als Medikament kommt es gemahlen oder als Öl oder Tee sowie zum Inhalieren zum Einsatz. Letztendlich liegt es im Ermessen des Arztes, ob Patienten Cannabis als Medikament erhalten. Im Gesetzestext werden auf spezifische Vorgaben verzichtet, es hänge im Einzelfall von der „begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin“ ab. Dennoch ist es gar nicht so einfach, seine Leiden mit Cannabis zu lindern.
Die Kosten für diese Therapie werden nämlich von den gesetzlichen Krankenkassen nur erstattet, wenn die Patienten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben – wozu auch die multimodale Therapie gezählt wird, also eine kombinierte Behandlung, die den Körper aktiviert, die Psyche gegen Stress wappnet und soziale Probleme aufzuarbeiten hilft. Goldstandard bei der Bekämpfung von chronischem Stress, nur leider mangelt es in Deutschland an Therapieplätzen. Viele Patientinnen nehmen es in ihrer Verzweiflung deshalb auf sich, die Cannabistherapie aus der eigenen Tasche zu bezahlen – was nicht nur teuer ist: laut Angaben des Cannabis-Reports können dabei monatlich zwischen 300 und 2.200 Euro anfallen. Hinzu kommt noch, dass die Therapie oftmals sogar wirkungslos ist, schließlich entsteht chronischer Schmerz durch biologische, psychologische und soziale Faktoren.
Marihuana als Wirtschaftsfaktor
Und selbst wenn Patienten nach langer Odyssee endlich ihr Rezept in Händen halten, bekommen sie ihre Medizin in den heimischen Apotheken oftmals trotzdem nicht, da die in Deutschland angebaute Menge in den vergangenen Jahren nicht für die Versorgung der Patienten ausreichte. Das allerdings soll nun anders werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte im Jahr 2019 Lizenzen zum Cannabis-Anbau ausgegeben. Dennoch wird wohl auf absehbare Zeit weiter importiert werden müssen. Immerhin: Rund um den Globus wächst die Produktion und der Absatz der Marihuanapflanzen. Israel etwa hatte im Jahr 2018 den Export von medizinischem Cannabis erlaubt; Kanada, Dänemark und die Niederlande sind schon länger im Geschäft.
Medizin-Cannabis für Mensch und Tier
Besonders häufig findet Medizinalcannabis bei der Behandlung von chronischen Schmerzpatienten Anwendung. 72 Prozent der Diagnosen bei der Verschreibung von Cannabis-Produkten mit einem nennenswerten Anteil an THC entfallen auf Schmerzen, Spastiken machen 11 Prozent, Magersucht 7 Prozent aus. 4 Prozent werden aufgrund von Übelkeit oder Erbrechen (etwa im Rahmen einer Chemotherapie), 3 Prozent wegen Depressionen und 2 Prozent wegen Migräne verschrieben. In frei verkäuflichen Hanfprodukten darf der THC-Gehalt laut Betäubungsmittelgesetz in Deutschland übrigens nicht mehr als 0,2 Prozent betragen (in Österreich liegt dieser Wert bei 0,3 Prozent und in der Schweiz gar bei 1,0 Prozent).
Und der Markt für frei verkäuflichen Hanf boomt tatsächlich weltweit: Nach Einschätzung des US-Marktforschungsunternehmens BDSA könnte der globale Umsatz im legalen Cannabismarkt von 19,7 Milliarden Dollar für das Jahr 2020 auf 47,2 Milliarden Dollar im Jahr 2025 steigen. Vor allem israelische Unternehmen möchten sich dabei einen großen Anteil am weltweiten Markt sichern. Und haben nun zusätzlich eine ganz neue Zielgruppe ins Auge gefasst: Derzeit laufen Studien, die die positive Wirkung des Einsatzes von Medizin-Cannabis bei Haustieren belegen sollen. Auch Hunde und Pferde könnten so von der neuen Therapieform profitieren – schließlich gelten Tierbesitzer rund um den Globus als besonders zahlungskräftig und -willig.
Junge Generationen: Cannabis läuft Zigaretten den Rang ab
Im gleichen Maße, in dem die Nachfrage nach Cannabis auf Rezept gestiegen ist, ist auch das Interesse an der Droge Hanf gewachsen. Experten führen das auf eine Destigmatisierung im Zuge der globalen Legalisierungswelle zurück. Da weltweit in immer mehr Ländern Kauf, Besitz und Verwendung von kleinen Mengen Cannabis nicht mehr unter Strafe gestellt wird, schwindet das Gefühl bei den Nutzerinnen, mit Erwerb und Konsum etwas Verbotenes oder Gefährliches zu tun.
Die Generation der Baby Boomer pflegt zudem traditionell einen entspannten Umgang mit berauschenden und bewusstseinserweiterenden Substanzen; und sie haben auch ihre Kinder, die Mitglieder der Generation Y, in dieser Haltung erzogen. Echte Treiber bei der Verwendung sind indes die noch Jüngeren, die Mitglieder der Generation Z, geboren ab der Jahrtausendwende. Die Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) weist aus, dass der Konsum von Cannabis unter Jugendlichen stark steigt. Das Rauchen von Nikotin hingegen ist immer weniger angesagt, gilt sogar als eklig und uncool. Der Anteil rauchender Jugendlicher hat sich dementsprechend in den vergangenen fünfzehn Jahren um zwei Drittel verringert und befindet sich auf einem historischen Tiefstand, wohingegen die Lebenszeitprävalenz für den Konsum von Cannabis in den vergangenen Jahren gestiegen ist: mehr als jeder Zehnte der Zwölf- bis 17-Jährigen und über 46 Prozent der 18- bis 25-Jährigen haben schon einmal Cannabis ausprobiert.
Unternehmen setzen bereits auf zahlreiche Hanfprodukte
Zahlreiche Unternehmen in diversen Branchen nutzen den Hang zum Hanf und seine verschiedenen Eigenschaften im Rahmen ihrer Produkte und Services. Die Lebensmittel- und Getränkebranche reichert Säfte, Smoothies oder Energydrinks mit Hanfsamen und -nüssen an. In Cannabis Cafés kommen Marihuana-haltige Speisen und Menüs auf den Tisch, Wellness-Studios arbeiten mit Hanf-Kosmetik, auch etablierte Marken setzen auf Pflegeserien mit Hanfsamen, CBD, Hanföl und Hanfextraktauf. Bei starken Monatsbeschwerden versprechen CBD-haltige Produkte Linderung und in Cannabis-Boutique-Shops und Hanf-Hotels lässt sich rundum in das Hanf-Glück eintauchen.
Hanf-Hype: Trendprognose
Trotz aller Risiken ist damit zu rechnen, dass die Beliebtheit von Cannabis, gerade unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in den nächsten Jahren weiter steigen wird, da die erhoffte Wirkung den Verwendern natürlich auch geeignet scheint, um ihre mentalen Imbalancen auszugleichen, von denen immer mehr junge Menschen betroffen sind. Und damit wird auch der Markt für Medizinal- und Lifestyle-Cannabis mit all seinen Produkten sowie Service-Angeboten weiter wachsen – denn der Traum, der sich dahinter verbirgt, erscheint für viele perfekt: Die Hanfpflanze als Naturprodukt mit ihren beruhigenden und stimulierenden Wirkweisen, ohne Kalorien und einem geringen Risiko der körperlichen Abhängigkeit passt optimal in die grünen 20er-Jahre des dritten Jahrtausends.
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