Um digital handlungsfähig zu sein, brauchen Unternehmen ein ganzheitliches, systemisches Verständnis von Digitalisierung. Diesen neuen Blick auf den digitalen Wandel hat das Zukunftsinstitut erstmals 2016 in der Studie „Digitale Erleuchtung“ beschrieben. „Erleuchtung“ bedeutet dabei: Abschied von der Verblendung, die digitale Hypes, Hysterien und Ängste erzeugt. Und: Ausbildung einer neuen, aufgeklärten und ganzheitlichen Sicht auf die vernetzte Realität des 21. Jahrhunderts.
Grundlegend ist dafür zunächst die historische Einsicht, dass sich unsere Gesellschaft inmitten eines epochalen Evolutionssprungs befindet. Die digitale Vernetzung schafft neue gesellschaftliche Strukturen. Sie lässt die Kommunikationsmöglichkeiten explodieren und erzeugt ein neues Level an Komplexität – und damit auch eine kollektive Überforderung, die den Blick für das Wesentliche trübt.
Um diese blinden Flecken aufzuhellen, ist es elementar, „Digitalisierung“ nicht mit „Technologie“ gleichzusetzen, sondern umfassender zu verstehen: als technologisch vernetzte Kommunikation. Der digitale Wandel ist kein rein technologisches Phänomen, sondern ein soziotechnischer Prozess. Der Mensch rückt dabei immer mehr ins Zentrum – gerade weil digitale Technologien eine immer wichtigere Rolle in allen Lebensbereichen spielen.
Um den Prozess der digitalen Transformation also erfolgreich für sich und ihre Kunden gestalten zu können, brauchen Unternehmen ein ganzheitliches, real-digitales Verständnis von Digitalisierung, das die vielschichtigen sozialen Implikationen und Effekte miteinbezieht. Erst mit einem solchermaßen ganzheitlichen und „cyberhumanistischen“ Mindset lassen sich auch die Kompetenzen fördern, die in der digitalen Ökonomie erfolgsentscheidend sind.
Der gemeinsame Nenner der digitalen Kompetenzen, die Unternehmen heute und künftig brauchen, ist der selbstbewusste Umgang mit Unsicherheit und Komplexität. Denn die Kulturform der vernetzten Gesellschaft ist Komplexität – die nicht lineare, nicht vorhersagbare und potenziell flüchtige Ordnung. Die Vorstellungen von Eindeutigkeit und Steuerbarkeit, die noch bis ins späte 20. Jahrhundert galten, sind längst obsolet geworden. Die Netzwerkgesellschaft bietet keine langfristig „stabilen“ oder verlässlich „berechenbaren“ Strukturen mehr. Im Gegenteil: Sie besteht aus flexiblen, oft auch widersprüchlichen Figurationen, auf die sich Unternehmen immer wieder neu einstellen müssen.
Entscheidend wird deshalb ein kluger Umgang mit dieser Dynamik des Digitalen, eine digitale Resilienz, die sowohl mehr Flexibilität als auch mehr Robustheit ermöglicht. Für Unternehmen bedeutet das: Mehr Beweglichkeit und Offenheit ermöglichen, mehr Spielräume öffnen, in denen Kreativität, Experimentierfreude und Innovation gedeihen können. Aber auch: An den richtigen Stellen Stabilität, Robustheit und Sicherheit gewährleisten und die eigene Identität schärfen.
Beide Komponenten – das Loslassen wie das Festhalten, die Öffnung gegenüber der Umwelt wie die Besinnung auf die eigenen Strukturen und Kulturen – ergänzen und bedingen einander. Ohne Beweglichkeit sind keine Veränderung und keine Anpassung möglich, dann drohen Unternehmen dem „digitalen Darwinismus“ zum Opfer zu fallen. Ohne feste Verwurzelung hingegen kann Beweglichkeit immer nur ein richtungsloses Mitschwimmen im Strom bleiben.
Die wichtigste Voraussetzung für den Aufbau einer solchen Widerstandsfähigkeit – sowohl für einzelne Personen wie für das gesamte Unternehmen – ist ein systemisches Verständnis digitaler Dynamiken, ein „erleuchtetes“ Mindset. Deshalb spielt das Thema „Unternehmenskultur“ eine zentrale Rolle, wenn es um Digitalisierung geht.
Der ganzheitliche Blick auf den digitalen Wandel, den wir in der Studie „Digitale Erleuchtung“ entwickelt haben, ist bei der Mehrheit der Unternehmen noch längst nicht angekommen. Ein systemisches Mindset und ein tiefes Verständnis für die strukturellen Grundlagen der Digitalisierung sind für Unternehmen weiterhin elementar. Von dort aus kann dann auch erfolgreich der nächste Schritt angegangen werden, nämlich die konkrete Umsetzung einer digitalen Agenda. Die wichtigsten Fragen dabei lauten: