Ein Blick in die USA zeigt: Das Umweltbewusstsein ist in allen Altersgruppen der US-Bevölkerung innerhalb der vergangenen Jahre gestiegen – also auch in der Boomer-Generation. Das ergab eine Umfrage der Managementberatung L.E.K. Bedeutung besitzt das Ergebnis dieser Studie auch für Europa, denn US-Trends sind häufig Vorreiter von Entwicklungen, die dann auch nach Europa zukommen.
Dieser Trend hat mittlerweile sämtliche Branchen erreicht und wachgerüttelt. Die Konsumgüterbranche beispielsweise hat sich laut einer McKinsey-Studie verschiedene, tiefgehende Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Etablierte Unternehmen müssen sich den Markt mit Start-ups teilen, die sich dem ökologischen Wirtschaften verschrieben haben. Laut Green Startup Monitor 2023 erreicht der Anteil grüner Start-ups mit 35 Prozent im Jahr 2023 einen Höchststand. Hinzu kommt eine wachsende Cleantech-Industrie. Diese Querschnittsbranche beheimatet viele Wirtschaftszweige: Sie umfasst grüne Technologien, Produkte oder Dienstleistungen, die dabei helfen, Ressourcen zu schonen, Schadstoffe zu minimieren oder Prozesse zu optimieren.
Der Umwelttechnologie-Atlas für Deutschland prognostiziert: Das weltweite Marktvolumen der Umwelttechnik und Ressourceneffizienz wird sich von mehr als 4.628 Milliarden Euro (2020) bis 2030 voraussichtlich auf über 9.383 Milliarden Euro erhöhen. Der deutsche Greentech-Markt wächst laut Atlas um 8,1 Prozent pro Jahr. Im jährlich erscheinenden Global Cleantech 100 Report wurden 2023 44 Prozent mehr Unternehmen nominiert als im Vorjahr. Es ist Bewegung im Markt und auch Risikokapitalgeber beginnen, klimafreundliches Wirtschaften zu fördern. Der Evergreen Impact-VC Aenu etwa oder Econnex investieren ausschließlich in Unternehmen, die dabei helfen, gesellschaftliche oder ökologische Probleme zu lösen.
Es ist der beginnende Siegeszug eines neuen Ökokapitalismus: Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit finden zueinander. Man könnte auch sagen, die Value Proposition ist in Teilen zu einer Eco Proposition geworden. Das heißt, die Angebote von Unternehmen besitzen einen tatsächlichen ökologischen Mehrwert, der von den Kunden als solcher verstanden und gekauft wird. Die Angebote erschöpfen sich also nicht in vermeintlich grünen Marketingkampagnen. Sie machen damit nicht nur einen Teil der nachhaltigen Transformation aus, sie sind die nachhaltige Transformation. Wobei Treiber des Trends eben ökologische Innovationen sind – und nicht Regulierungen. Der Öko-Ansatz verhilft Marken und Unternehmen damit zu neuer Stärke.
Konsumenten sehen sich angesichts dieser Lage mit einer Flut von Nachhaltigkeitsbekundungen konfrontiert. „Nachhaltigkeit“ ist zum Buzzword geworden. Das New Climate Institute und Carbon Market Watch haben die Klimaschutz-Versprechen von 24 weltweit agierenden Unternehmen auf ihre Transparenz und Glaubwürdigkeit hin überprüft. Ihr Corporate Climate Responsibility Monitor 2023 kam zu einem ernüchternden Urteil: Die Versprechen werden nicht eingelöst.
Für dieses Phänomen hat sich längst ein Begriff etabliert: Greenwashing. Doch mittlerweile wissen viele Entscheider, dass die Unternehmen damit auf lange Sicht nicht durchkommen. Bereits ein Greenwashing-Verdacht kann viel Geld kosten. Die Deutsche-Bank-Tochter DWS hat an einem Tag eine Milliarde Euro an der Börse verloren, als sie mit Greenwashing-Vorwürfen Schlagzeilen machte.
Eco-Unternehmen hingegen reagieren auf die gegenwärtigen Wünsche und veränderten Werte der Gesellschaft, also ihrer potenziellen Kunden, ohne ihnen zu viel zu versprechen. Laut ARD-Deutschlandtrend fordern nämlich 44 Prozent der Befragten mehr Tempo beim Klimaschutz. Als das schwerwiegendste Problem unserer Zeit gilt ihnen der Klimawandel. Aus der License to operate wird die Social license to operate. Fridays-for-Future-Bewegung, Extremwetterereignisse wie Dürre- und Hitzewellen, Waldbrände und Ernteausfälle haben das Bewusstsein für den Klimawandel auch in der Mitte der Bevölkerung etabliert. Auch die Politik hat den Ernst der Lage erkannt. Die Europäische Union will mit Hilfe des Green Deals bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden und hat mit dem „Fit für 55“-Paket relevante Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, damit der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt wird.
Um die Klimaschutzziele zu erreichen, muss die Wirtschaft mitziehen und dekarbonisiert werden. Maßgeblich für die Transformation zu einer Green Economy sind neben gesetzlichen Regulierungen wie dem EU-Lieferkettengesetz einheitliche Kriterien, anhand derer Nachhaltigkeit gemessen werden kann. Im Verlauf der konzeptionellen Auseinandersetzung mit dem Thema wurden verschiedene Schemata beschrieben, die Grundlage sind für Standards, die sich nach und nach herausbilden.
Es gibt zahlreiche Richtlinien und Absichtserklärungen, an denen Unternehmen sich orientieren oder denen sie sich selbst verpflichten können, wie den UN Global Compact. Es gibt zudem anerkannte Indikatoren für die Messung der CO2-Emissionen, wie das Carbon Disclosure Project. Diese sind dann auch Teil der Geschäftsberichte. Zentral in dieser Entwicklung sind die ESG-Informationen, die Unternehmen offenlegen müssen. Im November 2022 hat das EU-Parlament die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verabschiedet und damit die Regeln zur nicht-finanziellen Nachhaltigkeitsberichterstattung erweitert. Durch die Novellierung sollen ESG-Informationen den gleichen Stellenwert wie Finanzinformationen eines Unternehmens erhalten. Die neuen Anforderungen gelten für große Unternehmen ab dem Geschäftsjahr 2024.
Es kommt also einiges an Regulierung auf die Unternehmen zu. Gleichzeitig sind viele von ihnen ohnehin bereits weiter, weil sie erkannt haben, dass sich nur mit ernst gemeinten Maßnahmen und nachhaltigen Geschäftsmodellen neue Märkte sichern bzw. bestehende halten lassen. Jene Unternehmen mit einer Eco Proposition dürften es inmitten dieser Entwicklung leichter haben.
Vollständige Nachhaltigkeit ist dabei eine Utopie, vielmehr geht es um die Entwicklung besserer, suffizienterer Geschäftsmodelle, die weniger negativen und mehr positiven Einfluss haben – und damit auch die Bedürfnisse der Menschen treffen. Suffizienz strebt einen geringeren Verbrauch von Ressourcen wie Energie und Material an. Sie verlangt besseren Konsum, wobei nicht mehr Konsum in den Mittelpunkt gestellt wird, sondern der des Richtigen. Er soll die Bedürfnisse der Menschen dennoch stillen.
Pionierunternehmen machen vor, wie es gehen kann. Armedangels etwa versucht, diesen Gedanken in die Textilbranche zu überführen, indem das Unternehmen nicht ständig eine neue Kollektion herausbringt und auch zugibt: Nachhaltige Produkte existieren nicht. Auch der Outdoor-Hersteller Patagonia bekannte unlängst, unsustainable, also nicht nachhaltig, zu sein. Und das, obwohl er im Bemühen um Nachhaltigkeit immer wieder als Paradebeispiel genannt wird. Hinter der Aussage steht die Haltung: Wir sind heute nachhaltiger als gestern, aber nie vollkommen. Es soll also vor allem ein Umdenken im Kaufverhalten der Kund:innen ausgelöst werden. Aus Fast Fashion soll Slow Fashion werden.
Smart Innovations erzielen in der Regel einen besonders großen Effekt, weil sie Probleme mittels fortschrittlicher Technologien auf unkonventionelle Art und Weise lösen. Solche Innovationen können insbesondere bei den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz entscheidend sein. Smarte Lösungen können dafür sorgen, dass der Umgang mit dem Klimawandel nicht zwangsläufig mit Verzicht und Wohlstandsverlust einhergehen muss. Etwa wenn es uns gelingt, smarte Antworten auf bisher ungelöste Fragen zu finden, zum Beispiel jene, wie sich industrielle Prozesse emissionsarm umgestalten lassen.
Auch in der städtischen Infrastruktur, der Verkehrstechnik oder dem Energiesystem werden sie immer wichtiger. Mithilfe der Integration von intelligenten Stromnetzen (Smart Grid) und Gebäudetechnologien verfolgt etwa die Amsterdamer Verwaltung das Ziel, die CO2-Emmissionen der Stadt bis zum Jahr 2025 um 40 Prozent zu senken.
Menschen möchten bei allen Herausforderungen, die sie umgeben, ihre eigene Lebenssituation nicht verschlechtern. Dennoch bleiben die Fragen der Zeit, wie etwa Klimawandel und Verlust der Biodiversität, akut. Die Trends Eco Proposition und Smart Innovations können zur Lösung beitragen.
Die Eco Proposition betrachtet die ganze Bandbreite der Angebote für Kund:innen:
Alle 3 Bereiche sind essenziell, um zukunftsfähige Angebote zu entwickeln. Innovationen im Bereich von Green Finance, aber auch neue ökonomische Modelle sind hierbei ebenso relevant wie die eigene Innovationskraft.
Smart Innovations wiederum fokussieren explizit auf die Nutzung von Daten. Hierbei geht es nicht nur um das Ausspielen von smart wirkenden Dashboards, sondern um die Kopplung von Umfeldeinfluss und Technologie. Unser Research für die Megatrendstudie Globalisierungzeigt: Smarte Systeme reagieren automatisch auf ökologische und soziale Veränderungen. Die Implementierung und Nutzung von digitalen Plattformen, Systemen mit Künstlicher Intelligenz und datengetriebenen Lösungen ist hierbei die Grundvoraussetzung.
Beide Trends – Eco Proposition und Smart Innovations – zielen auf die Innovationskraft ab. Fragen der Regulierung werden immer an verschiedene nationale oder Bündnisgrenzen stoßen. Jedoch werden sich diejenigen Technologien global durchsetzen, die kundenorientierte, ökologische und unternehmerische Werte erzeugen und in smart vernetzten Systemen agieren.
Erkennen Sie die Trends, die den größten Einfluss auf den Megatrend Globalisierung haben.