Drohnen-Boom: Die Stunde der Überflieger
Fast täglich laufen Nachrichten über neue Einsatzgebiete von Drohnen über die Bildschirme und spalten die Gesellschaft in vehemente Skeptiker oder begeisterte Fans. Doch zwischen Militäreinsatz und Katastrophenberichterstattung entwickelt sich zunehmend ein Markt, der schon bald Alltag und nicht mehr Medienereignis sein wird.
In der friedlichen Drohnen-Nutzung scheinen der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Im Dezember 2013 ging das Video mit der Drohne um die Welt, die künftig Amazon-Kunden beliefern wird. Wenn auch noch nicht klar ist, wann die Paketdrohnen zum Einsatz kommen (Amazon rechnet mit einem Zeitraum von vier Jahren), so besteht kein Zweifel, dass sich auf dem Markt der Lieferservices viel tut. Von DHL bis UPS denken die Zusteller über den Einsatz der fliegenden Roboter nach.
Drohnen für weltweite Vernetzung
Auch Facebook ist an der Drohne interessiert – wenn auch nur an der Lieferung immaterieller „Datenpakete“. Der Konzern plant den Kauf von Titan Aerospace, einem Entwickler und Produzenten von solarbetriebenen Drohnen, die bis zu fünf Jahren in der Luft bleiben können. Die Drohnen sollen künftig weltweit fünf Milliarden Menschen eine Internetverbindung geben, die bisher mangels Infrastruktur nicht erreicht werden.
In manchen Lieferdiensten ist der Einsatz von Servicedrohnen bereits Realität, etwa in der Londoner Restaurant-Kette Yo! Sushi. Statt vom Fließband kommen die Reisröllchen per Drohne auf den Teller.
Hilfe für Menschen wird zur zentralen Aufgabe der Drohnen. So können sie toxische Belastungen aufspüren, Ernten kontrollieren, Brände bekämpfen oder Leben retten. Die Bergrettung in Bayern schult ihre Mitarbeiter bereits im Einsatz mit Drohnen, damit künftig Verschüttetete per Infrarotkamera geortet werden können.
Rettung und Schutz statt Krieg und Zerstörung
Welches Potenzial Drohnen bereits besitzen, zeigen auch die erfolgreichen Einsätze der Kopter, wie die Flugobjekte gern in Abgrenzung zu ihren militärischen Gegenstücken genannt werden, in entlegenen Gegenden und bei eiligen Lieferungen. So hat sich das Startup Matternet darauf spezialisiert, Menschen in Krisengebieten mittels Drohne helfen zu können. Das Unternehmen aus dem Silicon Valley setzte Drohnen, die bis zu zwei Kilogramm Last transportieren können, erstmals nach dem Erdbeben auf Haiti ein.
Humanitäre Hilfseinsätze verleihen den Drohnen eine neues Image und geben ihnen eine neue Bestimmung jenseits des militärischen Kontextes. Sinkende Herstellungskosten machen den Einsatz der Quadro- und Oktokopter auch für den privaten Bereich interessant. So kündigte Chris Anderson, ehemaliger Humanitäre Hilfseinsätze verleihen den Drohnen eine neues Image und geben ihnen eine neue Bestimmung Chefredakteur von „Wired“, seinen Job bei dem renommierten Magazin, um 3-D-Drucker für die Drohnenherstellung zu entwickeln. Mit Erfolg: Sein 2009 gegründetes Unternehmen 3D Robotics ermöglicht heute jedem, seine eigene Drohne zu bauen. Wer es simpler mag, kann für ein paar Hundert Euro die Parrot AR.Drone 2.0 erstehen, die sich bisher mehrere Millionen mal verkauft hat.
Egal, ob Privat-, Werbevideo oder Kinofilme – die ferngesteuerten, fliegenden Kameras ermöglichen ungewohnte Perspektiven. Fiwafly ist ein solcher Anbieter, der bisher vor allem Imagefilme und Dokumentationen dreht. Denn der Einsatz erfordert nicht nur neue Fähigkeiten und Konzepte. So lassen sich zwar Technikkosten reduzieren, allerdings brauchen Einstellungen mehr Zeit und das Schneiden der Bewegtbilder ist aufwendiger, so Max Ruppert von der Hochschule für Medien in Stuttgart. Zusätzliche Kosten verursachen auch die Doppelbesetzung aus Piloten und Kamera-Operator.
Aufklärung Statt Überwachung
Aufgrund des Luftverkehrsgesetzes fliegen viele Kopter derzeit nicht ganz legal. Speziell jene, die im gewerblichen Alltag Anwendung finden und eine Aufstiegserlaubnis benötigen – so muss zum Beispiel in den deutschen Stadtstaaten jeder Flug neu genehmigt werden. Der Datenschutz verlangt, dass keine Menschen von oben gefilmt werden dürfen, private Bereiche geschützt werden müssen, Bilder nur in 25mW gesendet werden dürfen und die Drohnen nicht nachts starten. Das Ergebnis sind häufig beliebige Landschaftsaufnahmen oder Guerilla-Aufnahmen.
Drohnenblogger und Drohnenjournalisten gehen jedoch davon aus, dass Drohnen einen neuen, investigativen Journalismus ermöglichen. Liveberichte von Demonstrationen oder Strahlungsmesswerte von Atomkraftwerken oder Müllverbrennungsanlagen zählen dazu und geben eine Ahnung davon, welche Wirkung Drohnen in der kritischen Zivilgesellschaft haben können. Neben der schnellen und anonymen Bereitstellung von Informationen im Netz sieht der Drohnenreporter Lorenz Matzat die Zukunft der Kopter im automatisierten Journalismus, wenn Drohnen Informationen sammeln und diese über Algorithmen auswerten.
Das Potenzial steckt in Software und Equipment
Wer vollkommene Automatisierung befürchtet, kann beruhigt sein: Noch immer benötigt es einen Menschen, der das fliegende Tablett steuert. Frankreich ist eins der ersten Länder, das seinen Luftraum für die kommerzielle Nutzung der Drohnen geöffnet hat – allerdings mit strengen Regeln. Die USA planen eine Öffnung des Flugraums für Ende 2015. Experten gehen davon aus, dass sich dadurch ein 90-Milliarden-Dollar-Markt über die nächsten Jahre hinweg entwickeln wird, der eine Vielzahl an neuen Jobs generiert: von Hard- und Softwaretechnikern über Designer bis hin zu denjenigen, die die Drohnen vertreiben, warten, bedienen werden. Die Universität in Reno/Nevada bildet bereits Drohnen-Ingenieure aus, die ein „drone degree“ erhalten. Sie möchte damit die Region zu einer Art Silicon Valley der Drohnenindustrie pushen.
Bis die unbemannten Miniflugzeuge aber ihre volle Power zeigen können, muss noch viel entwickelt werden, denn es sind weniger die Drohnen, die das revolutionäre Potenzial haben, sondern vielmehr ihre Software und ihr Equipment. Ähnlich wie die Apps ein Tablet-PC erst zu seiner vollen Funktion verhelfen, so sind es die Extras, die aus dem fliegenden Spielzeug eine nutzbringende Drohne machen.