Weltweit existieren 55.000 Museen. Vor 20 Jahren lag diese Zahl noch bei circa 23.000. Das Institut für Museumsforschung meldet 6.256 Museen für 2012 in Deutschland. Während in den USA circa 850 Millionen Menschen jährlich den Museen im Land einen Besuch abstatten, sind es in Deutschland 109,6 Millionen Besucher. 43 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren gaben in der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2014 an, häufig oder zumindest gelegentlich Museen, Galerien oder Kunstausstellungen zu besuchen.
Für 2012 zählte das Institut für Museumsforschung 112,8 Millionen Museumsbesuche in Deutschland – das sei die höchste Zahl seit Einführung der Erhebung. Die Ausstellungshäuser eingeschlossen ergeben eine Besuchszahl von insgesamt 119,4 Millionen und damit 3,4 Millionen Besuche mehr als noch 2011. Doch nicht nur in Deutschland – nein, weltweit scheint Kultur zu boomen.
Schön ist, was gefällt. Aber muss Kunst gefallen? Kritische Stimmen sprechen von einer Popularisierung der Museumslandschaft bereits seit den 1990er-Jahren. Museen sind schon lange nicht mehr nur Archivierungsanstalten, die sammeln und bewahren. Aber das Museum darf auch nicht nur Populäres ausstellen, was das Publikum schon kennt. Denn immerhin hat es einen Bildungsanspruch zu erfüllen. Lernen und Bildung werden sich im Zeitalter der Wissenexplosion anders organisieren als in den vergangenen Jahren.
Wissen wird weltweit – vorangetrieben durch die Vernetzung und Digitalisierung – leichter zugänglich. Das erfordert auch von Museen ein Umdenken und neue Konzepte zur Vermittlung des Gezeigten. Der Einsatz von neuen Technologien gehört heutzutage schon zur Selbstverständlichkeit, um Interaktivität zwischen Kunstwerken und Betrachter zu generieren. Aber ohne die Nähe zum Publikum sei das Museen wandeln sich von Tempeln des ehrfürchtigen Staunens zu interaktiven Orten der Kommunikation nicht möglich, ist Chris Dercon, Direktor der Tate Gallery of Modern Art in London, überzeugt. Auch Besucher eines Museums glauben nicht mehr an den allwissenden Experten, der ihnen die Ausstellung erklärt, sondern wollen teilhaben und mitdiskutieren. Das Museum der Zukunft sei „eine riesige Plattform, eine Agora, auf der das Publikum die unterschiedlichsten Fragen stellt“. Museen wandeln sich von Tempeln des ehrfürchtigen Staunens zu interaktiven Orten der Kommunikation.
Hierzulande wird heftig über die ethische Rolle von Museen diskutiert. Darf man ein Museum wie ein Unternehmen leiten? Einer, der das bereits seit Jahren erfolgreich betreibt, ist Max Hollein, Direktor des Städels, der Schirn Kunsthalle und des Liebieghauses in Frankfurt. Keiner meistert aktuell den Spagat zwischen Kunst und Kommerz mit solcher Bravour wie er. „Museen sind zum Wachstum verdammt”, sagt er und setzt auf Management- und Marketing-Instrumentarien im Museumsbetrieb.
Was in Deutschland einen Mix aus Bewunderung und Verunsicherung auslöst, ist in den USA schon langjährige Alltagspraxis. Dass der Museumsbetrieb weltweit von kommerziellen Interessen geleitet wird, zeigt auch der aktuelle Bauboom in China oder der geplante Museumskomplex in Abu Dhabi auf der Insel Saadyiat, der unter anderem einen Ableger des Louvre und des Guggenheim Museums beheimaten soll. Ebenfalls prestigeträchtig präsentiert sich der Bau des M+ Museums in Hongkong, der mit 60.000 Quadratmetern das bedeutendste Museum für moderne chinesische Kunst weltweit werden möchte. Die Eröffnung ist für 2017 geplant.
Historie und Kultur kommen somit an Orte, die auf keine jahrhundertealten Baudenkmäler und geschichtsträchtige Stätten zurückblicken können. Die Attraktivität dieser Städte speist sich nicht aus deren kultureller Vergangenheit, sondern aus der spektakulären Inszenierung von Kultur.
Dem Beispiel des Guggenheim Museums in Bilbao folgend, rechtfertigen diese Gigantomania-Museen allein durch ihre beeindruckende Architektur bereits einen Besuch. Experten sprechen von „Bilbao Effekt”: Vor der Eröffnung des Guggenheim Museums 1997 war die graue Industriestadt von Arbeitslosigkeit geprägt und weder für neue Bewohner noch für Touristen attraktiv. Doch bereits drei Jahre später waren die Kosten des Baus wieder eingespielt und die Stadt investierte in weitere kulturelle und soziale Projekte wie die Sanierung der Altstadt oder in den Bau der Metro. Sozial schwache Stadtviertel und Brennpunkte können durch kulturelle Bauprojekte aufgewertet werden.
Ein beeindruckendes Beispiel ist der Parque Biblioteca España in einem Slum der kolumbianischen Stadt Medellín. 2003 galt der Stadtteil Santo Domingo noch als einer der gefährlichsten in ganz Südamerika, als der damalige Bürgermeister auf eine integrative Stadtentwicklung setzte und forderte, dass die schönsten Gebäude in den ärmsten Gegenden liegen müssten. Inzwischen haben sich die imposanten Weltweit werden Museen schon jetzt zu Orten der Kommunikation, Integration und der Wissensvermittlung Bibilotheksgebäude zu einer Touristenattraktion entwickelt und Medellín gilt als Vorbild für die Revitalisierung von sozialen Brennpunkten. In Barranquilla, einer Stadt an der kolumbianischen Atlantikküste, entsteht aktuell der „Parque Cultural del Caribe“, der 2018 fertiggestellt werden soll und mit dem Karibikmuseum (bereits geöffnet) und dem Museum für moderne Kunst (im Bau) der regionalen Kultur gewidmet ist.
Weltweit werden Museen schon jetzt zu Orten der Kommunikation, Integration und der Wissensvermittlung. Während wir hierzulande über eine Öffnung zum Publikum und der Wirtschaft hin diskutieren, werden Museen in aufstrebenden und Schwellenländern genau dazu genutzt, um die Attraktion eines Ortes für Besucher und Unternehmen zu steigern.
Die Demokratisierung der Museen ist in vollem Gange. Selbst in Deutschland, wo man lange Zeit auf staatliche Subventionen setzen konnte, werden Museen mehr und mehr nach Rentabilitätskriterien bewertet. Alternative Finanzierungsmodelle müssen gesucht und neue Wege der Ansprache gefunden werden. Hierbei besitzen Museen in der „alten Welt“ einen Joker, den sie ziehen können: nämlich ihre Werke von Altmeistern, die weltweit Faszination auslösen. Ein mögliches Finanzierungsmodell ist folglich die Leihgabe von Exponanten an potente Museen und Ausstellungshäuser im Ausland und langfristige, starke internationale Partnerschaften. Nichtsdestotrotz werden zahlreiche kleinere, regionale Museen verschwinden, wenn sie nicht an einer frühzeitigen Profilschärfung arbeiten. Zugleich werden Pop-up-Museen und Special-Interest-Projekte, die auf Crowdsourcing und andere Methoden der Bürgerbeteiligung setzen, an Popularität gewinnen.
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