Es gibt 2 Arten von Provinzen
Schon heute gibt es Regionen in Deutschland und Europa, die von ihrer Topografie her Provinz sind – sich aber mitten in einem vitalen Aufstieg befinden. Abgelegene Dörfer, in die plötzlich das Leben einkehrt. Denn längst verläuft der Bruch zwischen den Gewinnern und den Verliererinnen der Urbanisierung zwischen den Regionen. Deshalb gibt es zwei Provinzen: In der einen verkriechen sich die Bewohnerinnen und Bewohner in Passivität und Opfermentalität, in der anderen aber herrscht ein Klima der Offenheit und des Wandels. Hier hat sich eine kulturelle Urbanisierung durchgesetzt und mit Qualitäten des Dörflichen synergetisch verwoben. Kooperative Empathie, eine engmaschige Sozialstruktur und Wir-Kultur ohne die chaotisierenden Nachteile der Großstadt. Solche Orte wollen es wissen. Sie reinnovieren sich selbst – und plötzlich steigt die Einwohnerzahl wieder an! Überall entstehen Resonanzregionen und Zukunftsdörfer.
Corona in Kombination mit der endgültigen Normalisierung von Remote Work macht das Land zur neuen Stadt, zum Sehnsuchtsort, der nun zum Greifen nah scheint – mit dem Versprechen nach mehr Raum und Lebensqualität. Digitalisierung ist Grundbedingung für das Aufstreben der neuen Zukunftsregionen. „Agronica“ nannte der italienische Architekt Andrea Branzi einmal den von den Bedingungen der elektronischen Kommunikation umgestalteten ländlichen Raum. Aber das Internet allein kann die Verödungsgefahr nicht bannen. Dörfer und kleine Gemeinden sind – so wie die großen Städte – soziale Organismen, die in ihrem Wesen aus Kommunikation bestehen, aus Beziehungen. Das Netz löst Verbindungsfragen, aber keine Beziehungsfragen. Deshalb ist die Frage, wie Transformationslandschaften und Resonanzregionen entstehen, vor allem eine Frage nach den Beziehungen der Bewohner und Bewohnerinnen.
Land-Stadt-Beziehungen: Ein Rückblick